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Eberbacher Trinkwasser

Schon einmal wurde ein Eberbacher Brunnen abgeklemmt

Die Eberbacher Wälder liefern gutes Wasser, sind aber auch störungsanfällig bei Eingriffen in das natürliche System

plus: Die Lage 2020

"Das Eberbacher Wasser ist gut...", singt man. Dieser Eber speit 2020 gechlortes Wasser.

September 2014
Von Rainer Hofmeyer

Die Verantwortlichen von Stadtverwaltung, Stadtwerken und Gesundheitsbehörden setzen alles daran, dass das Eberbacher Wasser bald wieder flächendeckend seine gewohnte Qualität hat. Die Öffentlichkeit belauert das Geschehen sehr aufmerksam. Weniger spektakulär ist vor einigen Jahrzehnten der Kandelbrunnen im Holdergrund abgeklemmt worden, der wohl nicht mehr von gefährlichen Krankheitserregern frei gehalten werden konnte.

„Das Eberbacher Wasser ist gut“: Auf so mancher Sitzung der Eberbacher Karnevalisten und auch sonst bei verschiedenen Anlässen sangen die Eberbacher aus voller Brust das Lobeslied auf ihr köstliches Odenwälder Nass. Doch so schnell werden weder die Leute von der Karnevalsgesellschaft Kuckuck Text und Noten zu dieser lokalpatriotischen Hymne wieder rausholen noch die Eberbacher ihr Lied weiter unbefangen trällern. Denn die Meldungen über Kolibakterien in der Wasserleitung haben die Einwohner der Neckarstadt geschockt.

Dabei hat sich die Grundqualität des Wassers gewissermaßen nicht verändert. Die Keime sind von außen eingetragen worden. Und zwar ohne Verschulden der Zuständigen, im Einzugsbereich der Holdergrundquelle. Die Keime sind tierischen oder menschlichen Ursprungs. Ob es starke Regenfälle oder die mittelbaren Folgen von Stürmen waren, die die Erreger letztlich eingetragen haben, wird sich kaum herausfinden lassen. Jetzt musste man Chlor zuführen, um das Netz von Keimen frei zu spülen. Und um das „meistkontrollierte Lebensmittel“ auch in Eberbach bald wieder als bekannt gesunde Flüssigkeit anbieten zu können.

Seit 1892 gibt es in der Stadt ein vollständiges Wasserleitungsnetz. An sich hat Eberbach aufgrund seiner Lage und der geologischen Gegebenheiten von Natur aus ein „qualitativ hochwertiges Wasser“. Für Teekocher und Wäschewascher ist es ein Segen, dass das Eberbacher Wassergemisch den Härtegrad „Weich“ aufweist. Es muss zur Desinfektion nicht, wie andernorts durchaus üblich, ständig mit Chlor versetzt werden. Eberbachs Quellwasser wird nach dem Prinzip der „Ultravioletten Bestrahlung“ behandelt. Dadurch entsteht eine noch höhere Qualität, ohne möglichen Beigeschmack von Chemie. Normalerweise.

Viele Quellen sammeln sich zur heimischen Wasserversorgung: die schüttungsreiche Herrenwiesenquelle in Friedrichsdorf, die besagte Holdergrundquelle, Quellen im Dürrhebstal, in Rockenau und die Geißbergquelle in Brombach. Insgesamt geben die Ursprünge im Jahr 800 Millionen Liter Wasser ab. Das entspricht vier Millionen Badewannen zu je 200 Litern.

Die Schwierigkeiten, die sich aus der topografischen Lage Eberbachs ergeben, meistern die Stadtwerke mit 14 Pumpstationen und 13 Wasserhochbehältern. Über 20 verschiedene Druckzonen weist das Wassernetz in Eberbach auf. Nur wenn die Odenwald-Quellen nicht ausreichen, wird  zusätzliches, hartes Tiefbrunnen-Wasser aus der Au zugepumpt. Der Fernwasserversorgung Rheintal, die bis 1980 bestand, wollte sich die Stadt nicht anschließen. Wasser aus dem Bodensee war für eine zusätzliche Versorgung der Neckar-und-Odenwald-Stadt auch nicht gewünscht. Obwohl der Zweckverband Bodensee-Wasserversorgung (BWV) bis in den Hohen Odenwald und den Raum Heidelberg Wasser liefert, vornehmlich zur Ergänzung der dortigen Quellen.

Trotz des alten Liedes vom „guten Eberbacher Wasser“: Was die jetzigen Verantwortlichen von Stadtverwaltung, Stadtwerken und Landratsamt in einem von der Öffentlichkeit überaus aufmerksam beobachteten Krisenmanagement bewältigen müssen, hat sich in der Vergangenheit schon vielfach abgespielt. Aber wohl eher im Stillen als jetzt in allen Medien - und nicht unbedingt in geringerem Ausmaß.

Der Wald um Eberbach bringt gutes Wasser, ist aber verletzlich.
Wasser aus Waldquellen hat keine konstante, fabrikmäßige Qualität. Experten, die sich auch im Eberbacher System auskennen, wissen, wie schnell eine Verunreinigung im Wassernetz auftreten kann. Anders als beim Abpumpen aus einem See, der anschließenden Aufbereitung und dem Transport über ein geschlossenes unterirdisches Leitungsnetz. Wird nahe einer Quelle ein neuer Weg planiert und dabei Wurzelwerk angehoben, kommen bei nächsten Regen schnell bedrohliche Keime in den Boden. Kippt ein Baum bei einem Sturm um und wirft seine Wurzeln hoch, ist die Oberfläche des Waldes zerstört und lässt Verunreinigungen durch. Waldtiere hinterlassen Exkremente, die ins Erdreich gespült werden können.

Die Gegend um die jetzt befallene Holdergrundquelle ist zudem schon immer kritisch gewesen. Wenn auch nicht gleich ein Abkochgebot für die ganze Gemeinde verfügt werden musste, so waren die Stadtwerke dort schon vor Jahrzehnten oft zu massiven Gegenmaßnahmen herausgefordert. „Da wurde gechlort auf Teufel komm‘ raus“, erfährt man aus dem Kreis ehemaliger Insider. Dann erst lief das Wasser in den nächsten Hochbehälter und vermischte sich mit den übrigen Zuleitungen. Die Bevölkerung blieb außen vor, merkte ohnehin nichts. Gesundheitliche Schäden wurden nicht vermeldet, das Wasser entsprach den Vorschriften.

Das Geologische Landesamt Freiburg hat bereits vor Jahren durch Färb- und Salzungsversuche festgestellt, dass das Wasser von den Wiesen und Äckern des Hohen Odenwaldes bis mindestens zur Stettenrampe an der Neuen Dielbacher Straße hinunterfließt oder durchsickert. Und da liegt die Holdergrundquelle mit ihrem Einzugsgebiet dem Winterhauch sogar näher. Irgendwann einmal kommt auch natürlicher Ackerdünger bei den nächsten Eberbacher Quellen an.

Der Kandelbrunnen im Holdergrund hat eine ganz besondere Geschichte, die die Gefahren in der Wasserwirtschaft anschaulich widerspiegelt. Er war bereits vor dem Krieg eingerichtet und Anfang der 1950er-Jahre offenbar neu aktiviert worden, als in der ersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg die Wasserversorgung in Eberbach immer wieder zusammengebrochen war. Der Kandelbrunnen ist neben der jetzigen Holdergrundquelle zu verorten und vereinte sogar sein Wasser mit dieser unter einer Grasfläche, vis-a-vis des heutigen Wildschweingeheges.

Dieser „Quellsammelschacht“ für ursprünglich beide Zuläufe ist noch heute aktiv. Aber jetzt führt er nur noch das Wasser aus der Holdergrundquelle. Denn der Kandelbrunnen liegt still. Er transportierte vermutlich vor mehr als 50 Jahren ein krankmachendes Bakterium, das man nicht mehr beseitigen konnte. So musste der kritische Brunnen notgedrungen vom städtischen Wassernetz abgekoppelt werden.

Der Eingang zur alten Brunnenstube ist heute noch am Weg beim Holderbach sichtbar. Die alte Eisentür am Einstieg rostet vor sich hin. Das genaue Jahr, in dem der Kandelbrunnen vom Netz genommen wurde, lässt sich derzeit nicht nachvollziehen. Man hat ihn ja seinerzeit auch ganz still und leise abgeklemmt, ohne dass die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt wurde.

Bleibt aber die Erkenntnis, dass in der Eberbacher Wasserversorgung über Jahrhunderte letztlich alles ohne gesundheitliche Schäden vonstattengegangen ist. Und die Hoffnung, dass hier das Lied vom „guten Wasser“ bald wieder zu Recht mit aller Inbrunst und Überzeugung gesungen werden kann.  Auch wenn es jetzt Glück war, dass ein privater Wasserabnehmer durch eigene Tests die Keime im öffentlichen Netz rechtzeitig entdeckt hat.


Frage 2020: Wäre das Wasser vom Bodensee besser gewesen?

9. Mai 2020
Es gibt Städte mit ähnlicher Geologie und Topografie wie Eberbach, die haben solche Probleme mit ihrem Trinkwasser nicht. Sie bekommen tagaus, tagein dieselbe gute Wasserqualität angeliefert - wie bestellt. Buchen, mit etwas mehr Einwohnern als Eberbach, holt sein Trinkwasser nicht mehr aus seinen Wäldern. Buchen lässt sich mit Bodensee-Wasser versorgen. 

Als 1972 Eberbach noch sein eigenes „gutes Wasser“ pries, schloss sich Buchen zuerst der Rheintal-Wasserversorgung an. Beginnend 1982, wurde auf Bodensee-Wasser umgestellt, auf die Zuleitungen zwischen Mosbach und Hettingen umgepolt. Seit 1995 ist Buchen mit seinem Stadtkern komplett an die Fernversorgung angeschlossen. 95 Prozent Trinkwasser werden vom Schwäbischen Meer herangedrückt. Lediglich die Buchener Stadtteile trinken aus ihren eigenen Quellen. 

Der Kubikmeter Trinkwasser aus dem Bodensee wird für 65 Cent tafelfertig allen angeschlossenen Gemeinden gleich teuer angeliefert. Das Buchener Wasser ist für den Verbraucher billiger als in Eberbach - die teure Aufbereitung fällt weg. 2,46 Euro kostet der Kubikmeter in Buchen, der Eberbacher zahlt über 3 Euro, Prognose: steigend. 

Der Anschluss an den bereits 1954 gegründeten Zweckverband Bodensee wäre für Eberbach die Alternative zur jetzigen Lage gewesen. 149 Kommunen und 34 Wasserversorgungszweckverbände versorgen aus dem Bodensee etwa vier Millionen Baden-Württemberger in 320 Städten und Gemeinden, ohne Unterbrechung und mit immer gleichbleibender Trinkwasserqualität. Die Analysen dieses Wassers verzeichnen stets bei Keimen den Wert „n. n.“ - nicht nachweisbar. Ob trockene Jahre oder nicht: Wasser gibt es genug im Bodensee. Das dort bislang tagtäglich abgepumpte Wasser ist weniger als das, das von der Oberfläche des Sees verdunstet. 

Eine Schnittstelle zum Bodensee-Wasser hätte bei Waldbrunn liegen können. Die Leitung von dort hätte zum Hochbehälter am Scheuerberg geführt, Eberbachs Wasser-Problem wäre auf alle Zeit gelöst. Es käme nur noch auf saubere Leitungen und Zwischenstationen in der Stadt an. Doch es gibt inzwischen ein gravierendes Hindernis.

Ein Umschwenken vom eigenen Wald auf die Fernversorgung ist nicht mehr möglich. Denn die Eberbacher Stadtwerke benötigen 25 bis 30 Liter in der Sekunde, um Bevölkerung und Wirtschaft ausreichend zu versorgen. Die Bodensee-Leitungen könnten bei einem möglichen Übergabepunkt nahe Eberbach nur maximal 16 Liter in der Sekunde liefern. 
Immer mehr Gemeinden nördlich von Heilbronn bemühen sich um einen Anschluss an den Zweckverband Bodensee. Viele haben gemerkt, dass das Lied vom eigenen guten Wasser nicht mehr gut klingt. Aber der Querschnitt der heranführenden Leitungen reicht nicht. Das Land arbeitet deswegen an einem Masterplan, um noch mehr Gemeinden in ihrer Wassernot zu helfen.

In Eberbach hätte man sich schon vor Jahrzehnten für die Rheintal-Wasserversorgung oder später für das Wasser aus dem Bodensee entscheiden müssen, als die überregionalen Rohre gelegt wurden. Doch damals sang man vom „guten Eberbacher Wasser“. 

Wer hätte jedoch früher gewusst, dass es einmal derart massive Probleme im Eberbacher Wald geben würde. Die Anstrengungen, das Wasser wie besungen gut zu halten, kosten jetzt Millionen. 

Der Ursprung des Eberbacher Wassers

Mit welchem Wasser die einzelnen Stadtteile versorgt werden

Seit 1892 gibt es in Eberbach ein vollständiges Wasserleitungsnetz. Auf die Kernstadt und Neckarwimmersbach fließt das Trinkwasser aus drei Entsäuerungsanlagen - aus der Gaimühle, dem Dürrhebstahl und vom Holdergrund. 

Dürrhebstahl mit zwei Quellen, die Herrenwiesenquelle in Friedrichsdorf, Gaimühle und Holdergrund liefern das Nass in unterschiedlicher Menge. Das natürliche Gefälle von Dürrhebstahl und Gaimühle bringt einen ausreichenden Druck in die Wasserhähne der Haushalte in der Innenstadt und in Eberbach Nord sowie Friedrichsdorf. Dürrhebstahl generiert 4 bar Druck, Gaimühle sogar 9 bar. 

Vom Holdergrund geht es auch in den Hochwasserbehälter am Scheuerberg. Nach Neckarwimmersbach gibt es zwei Leitungen: eine durch die Neckarbrücke und einen Düker unter dem Neckar. Um ganz oben in diesem Stadtteil anzukommen, muss der Druck verstärkt werden. Das zusammengemischte Quellwasser ist ausgesprochen weich (deutscher Härtegrad 2 bis 4), es muss sogar Kalk zugesetzt werden. 

Die nach der Gemeindereform in den 1970er-Jahren neuen Stadtteile haben ihr eigenes Trinkwasser. Rockenau versorgt sich selbst, bis auf die Rockenauer Straße. Brombach hat seine eigene Geißbergquelle, Pleutersbach (außer dem Neckarrain) bekommt das Wasser aus Schönbrunn, Igelsbach ist an die Hirschhorner Versorgung angeschlossen, Unterdielbach wird von Waldbrunn beliefert, Lindach hat keine eigene Quelle. 

Bleiben noch die Brunnen in der Au. Die werden bei Bedarf zugeschaltet, haben aber eine viel härtere Wasserqualität, nämlich 17 Grad deutscher Härte - „Da schmeckt der Tee nicht“, mäkeln die Wimmersbacher. Die insgesamt fünf Au-Brunnen werden vom Grundwasser des Neckar gespeist, aber auch vom Wasser, das aus den Wimmersbacher Hängen kommt. Das herrliche Wasser des Freibades ist übrigens kein Wasser aus der Au, deshalb macht es den Schwimmern so viel Freude. 

Insgesamt geben die Eberbacher Quellen im Jahr 800 Millionen Liter Wasser ab, dies entspricht vier Millionen große Badewannen mit je 200 Litern. Die Schwierigkeiten, die sich aus der topografischen Lage Eberbachs ergeben, meistern die Stadtwerke mit 14 Pumpstationen und 13 Wasserhochbehältern. Über 20 verschiedene Druckzonen weist das Wassernetz in Eberbach auf.

Der Kandelbrunnen wurde wegen Verunreinigungen vom Netz genommen.

Holdergrundquelle - hier gab es immer wieder Verunreinigungen.

Der Sammelschacht im Holdergrund.

Fotos: Rainer Hofmeyer
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