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Badische Gebäudeversicherung

Einheitsprämie statt teures Hochwasser-Risiko

Als die EU ein Jahrhunderte altes Monopol kippte - Die Badische Gebäudeversicherung von 1759 fiel Brüssel zum Opfer

Badische Gebäudeversicherung - Alles drin für jeden - zum einheitlichen Tarif.

Juni 2013
Von Rainer Hofmeyer

Wenn in Eberbach Hochwasser herrscht, kommen die Erinnerungen an eine segensreiche Einrichtung. Aber die Europäische Union beendete 1994 die kostengünstige Badische Gebäudeversicherung mit ihrer Einheitsprämie und dem Schutz gegen alle Gefahren. Ein Beispiel dafür, dass die EU-Bürokratie nicht immer segensreich ist…

Die Kleinstadt liegt am Neckar und muss mit Hochwassern leben. Immer wieder werden Häuser in unmittelbaren Uferzonen, in niedrigen Regionen der Innenstadt oder in den Ortsteilen von den Fluten erreicht. Für Hausbesitzer eine ganz kritische Situation, oftmals sogar eine Frage der Existenz. Vor rund 20 Jahren, im Winter 1993, gab es ein Jahrhunderthochwasser. Kein Eigentümer blieb deswegen auf seinem Schaden sitzen. Selbst die Stadt bekam für die durchflutete Tiefgarage am Leopoldsplatz noch alles ersetzt.

Schließlich gab es eine zwangsweise Versicherung, ein staatliches Monopol, die alles zahlte: Die Badische Gebäudeversicherung. Bis 1994 musste sich niemand besonders um den versicherungstechnischen Schutz seiner Liegenschaft kümmern. Zu einem Einheitstarif war jeder versichert. Es kam nur auf den Wert des Gebäudes an. Aber die Europäische Union hat inzwischen alles anders geregelt. Da können die Hausherren jetzt froh sein, dass die Versicherungen auch größere Wassergefahren akzeptieren. Denn bei privaten Gesellschaften gibt es Vertragsfreiheit.

Es waren wirklich noch gute Zeiten für die Hausbesitzer im Lande Baden. Markgraf Carl Friedrich von Baden richtete 25. September 1758 eine Monopolanstalt ein. Die  „Brand-Assecurations-Societät“, genauer: „Badisch-durlachische Brandversicherung“, wodurch „die Wohlfahrt unserer Lieben und Getreuen Unterthanen befördert“ werden sollte. Keiner sollte nach einem Feuerschaden seine Existenz verlieren.

Über 200 Jahre lang wurde nur gegen Feuer versichert, will heißen: Elementarschäden waren ausdrücklich ausgeschlossen. Aber 1960 entschied der Landtag von Baden-Württemberg per Gesetz, dass auch andere Risiken mit abgedeckt sind. Sturm, Hagel, Hochwasser und Überschwemmung waren nunmehr mitversichert, außerdem noch Schneedruck, Erdfall, Erdrutsch, Bergsturz und Lawinen, Erdbeben später auch.

Die Versicherung war in Baden auch noch billig, obwohl alle Risiken von jedem Ort undifferenziert in den gleichen Topf wanderten. Einheitsprämie nennt man das. Der Versicherungsbeitrag orientierte sich neben dem Wert des versicherten Gebäudes am gesamten Schadensaufkommen in ganz Baden. Ob jemand an Neckar, Itter, Holderbach oder am Eberbacher Scheuerberg sein Häuschen hatte - die Versicherungssumme richtete sich nicht nach dem individuellen Risiko, sondern nach dem sogenannten „Versicherungswert von 1914“.

Die Prämien gingen auf und ab. Brannte im Mannheimer Hafen ein Getreidespeicher wie im Jahr 1991, fegten Vivian und Wiebke übers Land oder stürzten kanadische Jagdflieger in die Karlsruher Innenstadt, dann flossen die Schäden in die Gesamtrechnung ein. Die Prämie wurde aber nicht stetig erhöht. Ein übers andere Jahr wurde die Umlage auch gesenkt, wenn es weniger Schadensfälle gab. Darüber hinaus gab es jährlich auch umgerechnet noch rund 6 Millionen Euro für die Feuerwehren des Landes.

Sicher und günstig - bis 1992 die Auflösung der Monopolversicherungen drohte.  Da informierte die Badische Gebäudeversicherung ihre Kunden noch, auch nach der Privatisierung werde für diese alles beim Alten bleiben. Der Wegfall der staatlichen Zwangsversicherungen mit Monopol wurde dann per EU-Regelung mit Wirkung vom 1. Juli 1994 verfügt.

Baden-Württemberg wehrte sich nicht. Die für unseren Landesteil geltende Badische Gebäudeversicherung und die parallele Württembergische Gebäudebrandversicherung wurden zur Gebäudeversicherung Baden-Württemberg fusioniert. Der damalige Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder verkaufte 1994 das „Tafelsilber“ für 1,1 Milliarden DM an die Sparkassen-Finanzgruppe Baden-Württemberg.

Wie so oft, lief eine Initiative der Europäischen Union in die falsche Richtung. Die EU-Behauptung, im Rahmen des Binnenmarktes läge es „im Interesse des Versicherungsnehmers, dass er Zugang zu einer möglichst weiten Palette von in der Gemeinschaft angebotenen Versicherungsprodukten hat…“, kann sicherlich keiner unterschreiben, dessen Gebäude wie in Eberbach in einem hochwassergefährdeten Gebiet liegt. Diese Hausbesitzer hatten sicherlich ein anderes Interesse.

Die neue Gebäudeversicherungs Baden-Württemberg AG musste sich dem Wettbewerb stellen. Das mit den niedrigen Prämien ging anfangs recht gut. Aber ausgerechnet in den ersten Jahren 1993, 1994 und 1995 gab es hohe Elementarschäden und damit Bilanzverluste in dreistelliger Millionenhöhe. Also zeigte sich nur eine Alternative: Entweder die Einheitsprämie anheben oder die Risiken differenzieren. Denn die guten Wagnisse ohne Hochwasser konnten sich die Konkurrenten mit billigeren Preisen wegschnappen.

Höchst unerfreulich waren die Schreiben, die Hausbesitzer in Hochwasserregionen von der Gebäudeversicherung Baden-Württemberg zum 1. Januar 1996 erhielten: Selbstbehalt der Versicherungssumme in Höhe von 1 Prozent, mindestens 5000 Mark, oder Ausschluss der Risiken Hochwasser und Überschwemmung. Hochwasser-Absicherung konnte also teuer werden.

Ab Neujahr 2000 war die Gebäudeversicherung Baden-Württemberg verschwunden.
Es gab nur noch die SV-Versicherung. Was einst in Baden-Durlach im Jahr 1758 als markgräfliche Feuer-Assekuranz begann, endete 1994 auf dem „freien europäischen Markt“.

Privatisierung der Gebäudeversicherung heißt: Die Gesellschaften müssen keine Verträge abschließen. Das letzte große Hochwasser im Osten hat gezeigt, wohin das führen kann. Viele Hausbesitzer, viele Firmen sehen dort ihr Vermögen ersatzlos absaufen. Hausbesitzer in Eberbacher Hochwassergebieten stehen aber wohl nicht im Regen.
Die Privaten versichern auch hier, sagen sie. Ausgangspunkt für die Prämienrechnung der Versicherungen ist ihr „Zonierungssystem für Überschwemmung, Rückstau und Starkregen“ - ZÜRS. Da spielt auch die Nähe zum Neckar oder den zulaufenden Bächen eine gewichtige Rolle. In Eberbach gibt es Häuser, die stehen in der höchsten Risiko-Stufe ZÜRS 4.

Holger Rickensdorf, Vertreter der SV-Versicherungen in Eberbach, freut sich, dass landesweit doch rund 70 Prozent der alten Verträge bei seiner Gesellschaft geblieben sind. Hans Menges von der Allianz und Dieter Redder von der Gothaer haben als Generalvertreter dieser Gesellschaften noch keine Risiken ablehnen müssen. Auch in der Eberbacher R+V-Zweigstelle bestätigt man, dass Hochrisiko-Zonen versichert werden, mit Selbstbehalt.

So sieht es derzeit danach aus, als könnten sich alle Eberbacher Hausbesitzer auch gegen Elementarschäden absichern. Die segensreichen Regelungen der guten alten Badischen Gebäudeversicherung wird man spätestens dann vermissen, wenn die neue private Versicherung nach einem Schaden den Vertrag kündigt. Das lassen die Geschäftsbedingungen eben zu.

INFO. Das gleiche Risiko einer Gebäudeversicherung in einem Eberbacher Hochwassergebiet kostete 1987 umgerechnet 210 Euro, heute müssen bei 1000 Euro Selbstbehalt 800 Euro gezahlt werden. - Weitere Informationen beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (www.gdv.de)



Versicherungswirtschaft wirbt zusammen mit der Politik

Zu meinen, die Versicherungswirtschaft will sich um die riskanten Verträge in Hochwasser-Gebieten drücken, geht womöglich von falschen Voraussetzungen aus. Mit gezielten Aktionen in mehreren Bundesländern wollen die Versicherer für mehr Schutz werben. Bei Informationskampagnen, die inzwischen in Rheinland-Pfalz, Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt durchgeführt werden, appellieren sie zusammen mit der Politik an die Eigenverantwortung der Bürger.

Denn die Bundesländer wollen auch deutlich machen, dass der Staat nicht etwa einspringt, wenn sich jemand in einem exponierten Risikogebiet nicht selbst versichert, wenn er es eigentlich kann. Insofern muss der Satz, es gibt schnelle und unbürokratische Hilfe, auch erst auf den Prüfstand. Meist kommen zinsgünstige Darlehen der Kreditbank für Wiederaufbau heraus. Aber der Staat ersetzt keine Versicherung.

Die Unwetterereignisse und ihre Folgen nehmen in Deutschland zu. Für 2011 berichten die Versicherer bei Schäden, die durch Hochwasser und Starkregen verursacht wurden, von einen neuen Rekord von 80.000 Fällen. Die letzten Ereignisse dieser Tage setzen noch eines drauf. Eine vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beauftragte forsa-Umfrage zeigt, dass 90 Prozent der Bundesbürger das Risiko durch Naturgefahren als gering einschätzen.

Nur knapp über 30 Prozent aller Haushalte in Deutschland sind ausreichend vor den finanziellen Folgen von Naturgefahren versichert. Viele nehmen nämlich an, dass sie in Risikogebieten keinen Versicherungsschutz gegen Elementargefahren bekommen und vertrauen vielleicht auch auf die öffentlichen Kassen. Von dort wird es aber grundsätzlich nichts geben. Bernhard Gause, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim GDV: „Wir können nahezu 99 Prozent aller Gebäude und Wohnungen problemlos versichern“.

Die Elementarschadenversicherung schützt vor den finanziellen Folgen von Naturereignissen, wie Überschwemmung, Rückstau, Erdbeben, Erdsenkung, Erdrutsch, Schneedruck und Lawinen. Sie wird als Zusatzbaustein zur Hausrat- und Wohngebäudeversicherung beworben. Immer mehr Versicherer bieten die Hausrat- und Wohngebäudeversicherung inklusive der Elementarschadenversicherung an. Der GDV weist auf seinen Verbraucherservice unter der kostenfreien Beratungshotline 0800 - 339 93 99 hin.                    

Alles mitversichert - bei der Badischen Gebäudeversicherung.

Überschwemmung durch den Holderbach.

Hochwassergebiete laut ZÜRS in Eberbach.

Fotos/Repros: Rainer Hofmeyer
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