Die „Itterburg“ war 150 Jahre beliebte Eberbacher Wirtschaft
Gegründet von Wirtsfamilie Koch – Ab 1974 bis 2008 beliebtes italienisches Lokal
Die alte Itterburg.
April 2014
Von Rainer Hofmeyer
Die jetzt zum Abriss vorgesehene „Itterburg“ ist bei vielen Eberbachern unvergessen. Gegründet wurde die Gaststatte von der Wirtsfamilie Koch. Vor 40 Jahren zog die erste Pizzeria der Neckarstadt ein. 2008 war Schluss mit der Gastronomie. Neben dem Gasthaus steht mit einer riesigen Kastanie so etwas wie ein Eberbacher Naturdenkmal.
Mit dem, was als „Gasthaus Itterburg“ in die Stadtgeschichte einging und jetzt womöglich mit dem Abriss des Gebäudes ein Ende findet, fing alles Mitte der 1860er-Jahre als Hausbrauerei
an. Ein genaues Gründungsdatum ist in den Stadtarchiven nicht belegt. Es war wieder einmal die bekannte Eberbacher Wirtsfamilie Koch, die das Unternehmen in die Hand nahm. Die Kochs waren in ihrer Familiengeschichte gleich für drei Gasthäuser verantwortlich: „Hirsch“, „Kanone“ und jene damals neu beantragte Braustätte an der Itter.
Hausbrauereien
hatten in Eberbach eine Tradition.
In der Innenstadt war es unter anderem die bekannte „Rose“, die eigenes Bier braute und danach das einzige Eberbacher Bräu blieb. Georg Peter Koch jun.
wollte draußen vor der Stadt auch sein eigenes Bier brauen. Ein für die Kühlung dringend notwendiger Bierkeller
wurde zwischen 1860 und 1865 gebaut. Die Genehmigung des Bezirksamtes folgte am 6. Juni 1865:
Koch wurde erlaubt, „während der Sommermonate selbst gebrautes Bier zu verzapfen“. Das hieß aber noch nicht, dass dort auch eine Gaststätte betrieben werden durfte.
Im gleichen Jahr stellte der Wirt deshalb einen entsprechenden Antrag auf Erweiterung der Konzession.
Der Bezirksrat hielt das aber „nicht für nöthig“ und versagte die Erlaubnis. Es gab schon zu viele „Wirthschaften“ in Eberbach. Koch ließ jedoch nicht locker. Unterstützt vom damaligen Weinhändler Knecht-Leutz und einem Mosbacher Anwalt setzte er
dann doch durch, dass Bier und Branntwein im Lokal ausgeschenkt
werden durften. Ratsdiener Kienzler eröffnete Koch am 13. Juli 1870
die Genehmigungsurkunde
- die „Itterburg“ war jetzt namentlich dokumentiert.
Auch wenn das genau Bau-Datum der „Itterburg“ nur schwer festzustellen ist: Auf Plänen von 1879
hat das Haus mit Garten, Kegelbahn und Bierhalle
schon in der heutigen Form bestanden. Ferdinand Jakob Koch, Sohn des Gründers, und dessen Schwager Karl Schneider sind in städtischen Urkunden erfasst, als beide im September 1879 um die Erlaubnis zum Betrieb einer Gastwirtschaft in der „Itterburg“ nachsuchten.
Die „Itterburg“ war immer ein Wirtshaus.
Nur während des Krieges wurde das Gebäude an der Hirschhorner Landstraße kurzzeitig für die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt
zweckentfremdet. Man suchte nach zusätzlichen Kindergartenplätzen,
weil viele Mütter im Arbeitseinsatz waren und sich nicht selbst um ihre Kleinen kümmern konnten. Am 1. Mai 1943 wurde der Kindergarten in der „Itterburg“ eröffnet, und schon im September 1944 wurde er wieder geschlossen.
Die „Itterburg“ ist auch eine Familiengeschichte.
Zeitweilig war das Haus zwar verpachtet. Aber die Kochs hielten die Tradition der Wirtschaft bis zuletzt stets hoch, hatten das Haus immer im Eigentum. Der Anfang der 1920er-Jahre nach Amerika ausgewanderte Konrad Koch kam 1929
eigens zurück, um die „Itterburg“ wieder in Familienregie
zu übernehmen. Bis zu seinem Tod 1960 war er der letzte männliche Wirt. Dann übernahm seine Witwe Marie Elisabeth Koch
die Regie. Sie kam aus dem Fach, war die Tochter des „Kanonen“-Wirtes Eduard Neuer.
Eberbach ging „in die Itterburg“. Gerade in der warmen Jahreszeit hatte das Lokal seinen besonderen Reiz. Der heute noch in voller Pracht blühende Kastanienbaum
bot vor allem im Sommer ein reizvolles und urgemütliches Ambiente. Der Baum ist für die Eberbacher schon immer mit der „Itterburg“ verbunden und hat schon fast den Charakter eines Eberbacher Naturdenkmals.
Besitzerin Marie Koch ging mit der Zeit. Die Gaststätte war gut und gerne besucht. Das Lokal wurde für viele Treffen und Vereinsfeiern
genutzt. Selbst Kindermaskenbälle
fanden damals guten Zulauf. In den Jahren von Beatles und Rolling Stones ließ Marie Koch Eberbacher Live-Bands auftreten. Die Jugend der Neckarstadt tanzte
an den fast schon legendären Sonntagnachmittagen zu den Rhythmen der heimischen G-Men und der Twilights. Der leicht amerikanisch gestylte Wirtssohn Eduard („Eddy“)
sorgte für die richtige Organisation des halbstarken Vergnügens.
In den 1970er-Jahren
kam die Zeitenwende. Aus dem deutschen Traditionslokal wurde „ein Italiener“. Ab 1974
saßen Eberbacher und Gäste auch gerne drinnen und draußen im „Gargano“
und genossen die Speisen und Getränke von Bella Italia. Domenico Angelicchio und Frau Heidi betrieben das weiterhin bei den Eberbacher beliebte Lokal bis 1981.
„Gargano“ war die allererste Pizzeria in Eberbach.
Dann wurde mit einem neuen Wirt aus der „Itterburg“ der Italiener „Peppino“.
Als aber der bis dahin beliebte kleine Azzurro im Jahr 2008 in die Altstadt wechselte, war es mit ihm und der „Itterburg“ als Gasthaus vorbei. Das Haus an der Hirschhorner Landstraße wartete seither auf einen Käufer, äußerlich unverändert - seit den 1860er-Jahren. INFO.Historisches Basismaterial: „Hirsch, Itterburg und Kanone - Eberbacher Gasthäuser der Familie Koch“, Bruno Schmitt, Eberbacher Geschichtsblatt 2005.
Ergänzung 2017: Der Artikel hat zum Überdenken beigetragen, die Itterburg stehen zu lassen. Die Itterburg wurde am Ende nicht abgerissen, sondern grundlegend saniert.
Postkarte von 1938.
Die Übergangsphase - Käufer werden gesucht.
Ehepaar Angelicchio - Der erste Italiener in Eberbach: "Gargano"