Auf dieses Bier war Eberbach stolz Letzte Rosenbräu-Abfüllung im Juli 1981 - Früher zehn Brauereien in Eberbach
Das alte Brauhaus am Scheuerberg.
November 2011
Von Rainer Hofmeyer
Das hat den Eberbachern ganz besonders geschmeckt. In vielen Gasthäusern der Stadt konnte man das heimische Gebräu kosten. Auf großen Festen wie dem Kuckucksmarkt war die Neckartäler Biermarke so etwas wie der Stolz der Bürger, jeder gut gefüllte Krug eine Stärkung des Heimatgefühls. Im Jahr 1823 im Stammhaus „Rose“ zum ersten Mal hergestellt, zog das Eberbacher Rosenbräu 1911, also vor genau 100 Jahren, an die Alte Dielbacher Straße. Ganze 70 Jahre braute man dann dort noch gutes Bier, bis Juli 1981.
Im März 1977
wurde das Rosenbräu
im übertragenen Sinne geschluckt. Die Heilbronner Cluss übernahm
die Eberbacher Brauerei, tat noch einige Zeit so, als wolle sie Standort und Marke erhalten. Die Schließung kam schnell in Raten und machte die Eberbacher wütend und traurig zu gleich. Trost und ein bisschen Schadenfreude: Nur fünf Jahre nach der Übernahme der Eberbacher Traditionsbrauerei und ein Jahr nach deren Ende wurde Cluss 1982
selbst aufgekauft, von Dinkelacker
aus Stuttgart.
Wenigstens das Stammhaus „Rose“ am Neuen Markt
steht heute noch, benannt nach dem nahegelegenen Rosenturm.
Alles andere, was in der Stadt auf das Eberbacher Rosenbräu hindeutete, ist verschwunden. Immerhin haben noch einige Lokalpatrioten ein paar Relikte der letzten Eberbacher Brauerei in Besitz. Originalkrüge sind wohlbehütete Raritäten. Selbst alte Bierdeckel finden sich in den Sammlungen.
Der Vorsitzende des Eberbacher Bürger- und Heimatvereins Jens Müller
ist sogar stolz auf ein Original 100-Liter-Bierfass, Bierkästen mit immer noch vollen Rosenbräu-Flaschen, zahlreiche Werbeschilder, Aufkleber und Fotografien. Ein Zeichen dafür, wie sehr den Eberbachern ihre letzte Bierfabrik ans Herz gewachsen war. Ende des 19. Jahrhunderts gab es zehn Haus- und Familienbrauereien in der Stadt - Grüner Baum, Sonne, Stern, Balde, Schmitt, Kettenboot, Hirsch, Noé, Schneider und Rose. Nur Rosenbräu war letztlich überhaupt übrig geblieben
und hatte sich zu einem respektablen regionalen Unternehmen entwickelt.
Für seine Straußwirtschaft „Rose“
erhielt Peter Koch im Jahre 1823
vom Direktorium des Neckarkreises Mannheim die Genehmigung zum Bier- und Branntweinausschank.
Das Jahr datiert die Gründung der Rosenbrauerei. In der „Rose“ braute zwischendurch die bekannte Eberbacher Familie Holloch. Als diese 1894 den „Holloch’schen Saal“ an der Ecke Brühlstraße eröffnete, später „Burg Stolzeneck“, übernahm der aus Eppelheim stammende gelernte Bierbrauer Philipp Knauber nach siebenjähriger Wanderschaft die „Rose“ mit ihren Brauanlagen. Knauber war also nicht der eigentliche Gründer des Rosenbräus.
Bis vor genau hundert Jahren braute Philipp Knauber am Neuen Markt für sein eigenes Lokal und andere Eberbacher Gaststätten. Dann kaufte er 1911 die Brauerei Schäfer (vormals Schneider) in der Alten Dielbacher Straße und nahm den Namen mit: „Eberbacher Rosenbräu – Philipp Knauber“. Zur Kühlung des Biers
wurde eigens ein Keller
in den Scheuerberg getrieben. Das notwendige Eis besorgte man sich im Winter, teilweise sogar vom zugefrorenen Neckar.
Aus der Zeit des Ersten Weltkrieges ist über die Rosenbrauerei nichts überliefert. Während des Zweiten Weltkriegs wurde der Betrieb von drei Männern, Knauber senior, Jost und Ihrig,
gerade noch so aufrechterhalten. Der letzte Eigentümer war Philipp Knaubers Sohn Karl. Nachdem der Vater gestorben und der Bruder im Krieg gefallen war, führte der studierte Volkswirt die Firma ab 1939 alleine, jetzt: „Eberbacher Rosenbräu - Philipp Knauber & Söhne“. Von 1945 bis zuletzt hatte sich der Hektoliter-Ausstoß des Rosenbräus mehr als verfünffacht. Malzbottich und Sudpfanne liefen rund um die Uhr. Malz kam aus Bruchsal, Schriesheim und Schwetzingen. Der Hopfen wurde aus der Hallertau und von Tettnang angeliefert.
Elektrische Kühlschränke gab es in den ersten Jahren nach dem Krieg noch keine. Viele ältere Eberbacher können sich noch daran erinnern, dass bei der Rosenbrauerei eine Fabrik für Stangeneis
angebaut war, aus der eine breite Holzrutsche zur Dielbacher Straße führte. Dort konnte man sogar Eis für den Hausgebrauch kaufen und selbst abholen. Mit eisernen Haken zogen die Bierkutscher die langen kalten Eisstangen auf ihre mit Leder besetzten Schultern, um sie auf die Rosenbräu-Lastwagen zu wuchten und mit wassertropfender Ladefläche an die heimischen Gaststätten auszuliefern.
Knauber hatte vornehmlich örtliche und regionale Kunden.
Der Lieferradius für die zuletzt sieben kleinen Lastwagen war kaum mehr als 50 Kilometer. Den Gaststätten wurde anfangs in Holz-, dann Alu-Fässer geliefert. Der „Stern“ von Binchen Walter in der Hauptstraße war Brauereigaststätte, also bis zum Ende von Rosenbräu im Besitz von Knauber, genauso wie die „Sonne“ der beiden „Sunnewerds-Mädels“ (Familie Müller-Berroth) und das Stammhaus „Rose“. Ebenso Knaubers Eigentum war der „Krabbenstein“, von dessen Hauswand leider später das schöne große aufgeputzte Wappen des Rosenbräus abgeschlagen worden ist.
Im Jahr 1964
ließ Karl Knauber noch ein neues Sudwerk
bauen. Zehn Jahre später wurde eine vollautomatische Abfüllanlage installiert. Bis zu 6.000 Flaschen Ausstoß in der Stunde
waren dann möglich. Das Rosenbräu war in den Varianten Export, Pils oder Bock
und mit vielen Festbieren
hochgeschätzt. So manches Dorffest im Odenwald wurde mit dem Gerstensaft aus Eberbach gefeiert.
Schließlich kam das, was man Brauereisterben nennt: Die Anlagen in der Alten Dielbacher Straße wechselten im März 1977 mit dem Namen „Eberbacher Rosenbräu“
und den so begehrten Gaststätten-Lieferverträgen in neue Hände. Karl Knauber hatte keinen Nachfolger. Und die Heilbronner Cluss wollte
aus dem schwäbischen Unterland in den Odenwald expandieren.
Mehr als Profit war offenbar nicht gewollt. Es hieß, Rosenbräu gäbe es weiter. Aber auf das Gefühlsleben der Eberbacher Traditionsfreunde legten die Schwaben keinen Wert.
Den zuletzt 15 Mitarbeitern
der Rosenbrauerei wurden allerlei Hoffnungen
gemacht, dass es jetzt sogar noch besser weiterginge. Aber die Versprechungen hielten nicht lange.
Anfangs gab es zwar noch Rosenbräu unter Heilbronner Regie. Doch nach und nach wurden die einzelnen Eberbacher Biersorten eingestellt.
So verschwand auch der Name Rosenbräu. Beim Scheuerberg wurde nur noch unter der Marke Cluss
produziert.
Sechs Wochen Bierreife dauerte der letzte Akt, dann war nach knapp 160 Jahren die einzig verbliebene Eberbacher Brauerei Vergangenheit: Am 2. Juni 1981 wurde im Brauhaus der letzte Sud gekocht, am 14. Juli 1981, um genau 3 Uhrnachmittags,
wurden 61 Hektoliter Export abgefüllt. Das allerletzte Bier aus Eberbach.