Als Eberbachs Altstadt brannte

Die Amerikaner warfen Brandbomben auf Eberbach

Rund 60 Häuser zerstört

Blick in die Untere Badstraße.

April 2025
Von Rainer Hofmeyer

Zwei Jahrestage hintereinander wiederholen sich jetzt zum 80. Mal. Der schwere Luftangriff amerikanischer Bomber auf Eberbachs mittelalterliches Zentrum am 25. März 1945 und die kampflose Übergabe der Stadt an amerikanische Truppen schon sechs Tage später. So war der Stadtbrand eigentlich ein unnötiger Verlust an vielen Häusern und Wohnungen. Es waren die letzten Wochen des „Dritten Reiches“ für die Eberbacher, das sie zwölf Jahre zuvor überwiegend noch so sehr gefeiert hatten.

Die Stadt selbst war bis zuletzt vor Kriegsschäden verschont gewesen. Dabei gab es auch hier einige Einrichtungen, die Ziele des Feindes hätten sein können. Das Heereszeugamt Metz war von Mainz nach Eberbach verlegt worden. Die Oberbauleitung der Organisation Todt hatte ihr Quartier in der Dr.-Weiss-Schule. Die Stotz-Werke in der Steige waren auch kriegswichtig, stellten Bordinstrumente für Kampfflugzeuge her. Mit Gütern und Lebensmitteln beladene Frachtschiffe ankerten im Fluss bis hinauf nach Neckargerach.

In den ersten Wochen des letzten Kriegsjahres donnerten feindliche Maschinen noch zu anderen Zielen hoch über Eberbach hinweg. In der Stadt gab es öffentliche Schutzräume, so in der alten Volksschule, unter dem Gefängnis beim Lindenplatz, beim alten Amtsgericht in der Kellereistraße. In der Altstadt waren private Luftschutzkeller mit weißen Pfeilen an den Häusern markiert. In der Alten Dielbacher Straße nutzte man ehemalige Brauereikeller. Die durchgehend Sandsteingewölbe boten einigermaßen Sicherheit. Viele Eberbacher flohen bei Fliegeralarm in die Wälder, zum Scheuerberg, Itterberg und auf die Marienhöhe. Überwiegend waren es Mütter mit ihren Kindern. Die Hitlerjugend besetzte Beobachtungsposten auf Hochständen rund um die Stadt.

Ab Februar 1945 näherte sich das Kriegsgeschehen Eberbach unmittelbar. Amerikanische und britische Flugzeuge kreisten tiefer über dem Neckartal. Sie griffen vereinzelt die Verkehrslinien an – Neckar und Bahn. Die Rockenauer Schleuse wurde beschossen, der Itterstaudamm, die Neckarbrücke. Personenzüge und Zivilisten waren Ziel von Maschinenwaffen.

Am 19. März gab es die ersten Bombenabwürfe auf die Stadt, beim Güterbahnhof, in der Güterbahnhofstraße, der Itterstraße und beim Neuen Markt. Die Drahtwerke Weihrauch wurden zerstört. Getroffen wurden auch private Gärten und städtische Grünanlagen. Am 22. und 23. März fielen Bomben in der Kaiser-Wilhelm-Straße (der heutigen Friedrich-Ebert-Straße), am Bahnhofsplatz, in der Odenwaldstraße und in der Itterstraße. Acht Tote gab es insgesamt bei diesen ersten Luftangriffen im März, darunter fünf Eberbacher.

Eberbach beherbergte 2194 Menschen zusätzlich, die vor dem Kriegsgeschehen aus ihren Städten geflohen oder ausgebombt waren, und war Lazarettstadt mit 455 verwundeten Soldaten. Viele versprengte, verwundete und flüchtende Soldaten zogen durch.

In der Endphase des Krieges ging es den Alliierten nicht mehr um Angriffe auf kriegswichtige Einrichtungen. Jetzt legten sie es darauf an, die deutsche Bevölkerung zu demoralisieren. Für die alten, aus Holz und Lehm dichtbebauten deutschen Fachwerkstädte gab es eine besonders teuflische Technik: Elektron-Thermitstab-Brandbomben. Mit ihnen brannten die Häuser wie Zunder.

Der 25. März 1945 war Palmsonntag. Eberbachs Zentrum wurde jetzt direkt angegriffen. Es liefen mehrere Angriffswellen. Morgens um halb 8 versenkten alliierte Jagdbomber einen Großteil der im Neckarhafen liegende Schiffe. In der Kaiser-Wilhelm-Straße brannte ein Haus. Das Gasthaus „Eberbacher Hof“ beim Bahnhof wurde zerstört.
Gegen vier Uhr nachmittags flog eine Rotte amerikanischer Jagdbomber von Rockenau her. Ein inzwischen verstorbener Zeitzeuge beschrieb sie als einsitzige Kampfflugzeuge vom Typ P-47 Thunderbolt. 

Ein anderer Eberbacher, damals 12 Jahre, erinnert sich heute an fünf, sechs Flugzeuge, „mehr nicht“. Wegen der Berge seien die Angreifer recht hoch geflogen. Dieses Mal wurden die Bomben direkt über der Altstadt ausgeklinkt. „Schwarze Stäbe“ fielen aus den Maschinen, Stabbrandbomben, erinnerte sich ein anderer, damals ebenfalls 12-Jähriger. Das Quartier zwischen Unterer Badstraße und Krämergasse wurde flächendeckend getroffen. Im Heumarkt wurden viele Häuser beschädigt. Die Bomben durchschlugen die Dächer und entzündeten sich dann in den Speicherräumen. Die Luftschutzsirenen hatten rechtzeitig alarmiert.

Gelbe Brandpilze stiegen über den Häusern auf. Dann war die ganze Stadt in schwarzen Rauch gehüllt. Die Bevölkerung war in Aufruhr. Viele waren in den einigermaßen sicheren Wäldern gewesen, um die Angriffe abzuwarten. Sie kamen von dort zu spät zurück in die Stadt. Frauen und Alte, Kinder und Jugendliche versuchten, aus den Häusern zu retten, was möglich war. Überall räumten sie Möbel und Hausrat aus den brennenden Gebäuden. Bettzeug wurde aus den Fenstern geworfen, erinnert sich eine Frau, die damals in der Kellereistraße wohnte.

Feuerwehren bis aus Heidelberg rückten an. Die Eberbacher Wehr mit ihrem Kommandanten Jakob Pfeiffer, dazu etliche helfende Frauen, hatten nicht genügend Wasser. Die Hauptwasserleitung war schon bei einem vorherigen Angriff getroffen worden. Das Benzin ging aus für die Pumpen, die Löschwasser vom Neckar heranschaffen sollten. Verwundete Soldaten vom brennenden Not-Lazarett in der alten Volksschule beim Lindenplatz bildeten mit Zivilisten eine Eimerkette zum Neckar, um das Haus zu retten. In der Unteren Badstraße explodierte ein Lastwagen des Heeres.
Gegen acht Uhr abends gelang es, den Stadtbrand unter Kontrolle zu bringen. Die auswärtigen Helfer zogen ab. Aber der Einsatz dauerte noch Tage an; immer wieder loderten Brandnester auf. Eberbachs alter Kern war zum Trümmerfeld geworden.

Von zwei Familien wissen wir, dass sie ihre Anwesen dadurch retten konnten, dass sie oder Nachbarn die Stabbrandbomben im Speicher der Häuser in Decken eingewickelt haben und auf die Straße brachten. So wurde das große Hotel „Karpfen“ gerettet und das Spohr’sche Anwesen beim Haspelturm.

Dr. Ruth Staab, Jahrgang 1924, Tochter der Textilhaus-Familie Müller, erinnert sich noch heute daran, dass ihr Vater mit der zwei Jahre älteren Schwester beim Nachbarn Spohr unmittelbar nach dem Angriff geholfen hat, Schäden zu beseitigen. Ein heute 92 Jahre alter Eberbacher war mit Mutter und Schwester während des Angriffs nahe der Evangelischen Kirche in einem Luftschutzkeller, während Vater und zweite Schwester gegenüber im Haus der Familie geblieben sind. Der alte Uhrmacher, in dessen Keller die Nachbarn Schutz gesucht hatten, sei nach oben gegangen und habe dann gemeldet, dass die Sirenen „Entwarnung“ gegeben hätten.

Menschliche Verluste gab es an jenem tragischen Eberbacher Sonntag nicht. Von einer dramatischen Rettungsaktion berichtet eine heute 88-Jährige. Ihre Großmutter war während des Angriffes im eigenen Keller in der zerstörten Unteren Badstraße gewesen. Als sich das Feuer der Brandbomben an den Kellereingang herangearbeitet hatte, konnte die Frau von den Rettern nur mit Mühe durch das Kellerfenster nach außen gezogen werden.

Die Zahl der zerstörten oder beschädigten Häuser schwankt in späteren Berichten zwischen 75 über 91 bis 250 — teils unrealistische Zahlen. Provisorisch im Hotel „Krone-Post“ oder bei Bekannten und Verwandten kamen 92 ausgebombte Menschen unter. In einer Aufstellung der Stadtverwaltung vom November 1946 wurden 85 total geschädigte Familien gezählt, 24 mit schweren und 18 mit leichteren Verlusten. Gestaffelt nach Schadenshöhe gab es je Haushalt zwischen 100 und 310 Reichsmark Ersatz für verlorenes Hab und Gut. 116 Kinder wohnten damals im zerstörten Gebiet. Für jedes Kind einer betroffenen Familie zahlte die Stadtkasse 20 Mark als allgemeine Unterstützung.

Schon eine Woche nach dem denkwürdigen Palmsonntag 1945 war für die Stadt Eberbach der Krieg vorzeitig zu Ende. Sie wurde den anrückenden Amerikanern am 31. März widerstandslos übergeben — fünf Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation Hitler-Deutschlands.

Quellen: Stadtarchiv; Eberbacher Geschichtsblatt; Hanna Breidinger-Spohr, Kriegstagebuch; Zeitzeugen.