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1946 - Wiederaufbau der zerstörten Altstadt

Geplant war eine schöne neue Altstadt

1946 gab es attraktive Pläne für den Aufbau der kriegszerstörten Häuserzeilen - Daraus wurde nichts
„Wiederaufbau in Eberbach“. Die dunkel gezeichneten Häuser markieren die im Krieg zerstörten Flächen. Die Planung des Heidelberger Architekten und später Eberbacher Stadtbaumeisters Maurer sieht kleinteilige Häuserfronten vor - in der Unteren Badstraße (oben), im Kornmarkt (darunter) und in der Krämergasse (unten). Oben im Bild ist der beim Luftangriff heilgebliebene Haspelturm zu sehen. In der Mitte: der größere Block, der ein Kino werden sollte.

Januar 2021
Von Rainer Hofmeyer

Es ist Palmsonntag, der 25. März 1945. Gegen 4 Uhr nachmittags fliegt eine Rotte amerikanischer P-47 Thunderbolt von Süden her über die historische Altstadt hinweg. Stabbrandbomben werden ausgeklinkt. Die alten Fachwerkhäuser brennen wie Zunder. Am Ende ist die Untere Badstraße zerstört, sind die Gebäude im Kornmarkt, in der Geisgasse und in der Krämergasse niedergebrannt. Insgesamt verliert die Stadt 70 Wohnungen.

Doch noch im selben Jahr denkt Eberbach an die Erneuerung. Die Pläne werden in der ersten Jahreshälfte 1946 konkreter, zumindest die auf dem Papier. Bürgermeister Nenninger und sein zehnköpfiger Gemeinderat wollen die zerstörten Teile der Altstadt „entsprechend den Anforderungen gesunden Wiederaufbaus neu erstehen lassen“, beschreibt ein Regierungsbaumeister damals das Vorhaben.

Es drängt, denn in der Stadt herrscht Wohnungsnot. 

Der Heidelberger Diplom-Ingenieur und Architekt Hans Joachim Maurer plant einen großen städtebaulichen Wurf. Er skizziert schon im November 1945, wie er die Zerstörung von Teilen der Altstadt als Chance nutzen will, daraus ein modernes und attraktives Viertel zu gestalten. Ohne dass der Charakter der kleinen Eberbacher Altstadt verloren geht. Dabei greift Maurer die Kleinteiligkeit der vorherigen Fassaden auf.

Im Mai 1946 ist Maurer Stadtbaumeister in Eberbach. Sein Plan zeigt viele neue, kleine Häuser, die sich beispielsweise in der Unteren Badstraße aneinanderreihen. Sie sind höchstens zweigeschossig. In der Draufsicht der Dächer fällt die Betonung kurzer Firste ins Auge.

Unter normalen Bedingungen sei eine Sanierung zu teuer, außerdem seien die Eigentumsverhältnisse zu sehr zersplittert gewesen wird konstatiert. Viel zu eng bebaut war die Altstadt vorher, so Maurer. Überdies herrschten bislang teilweise schlechte sanitäre Bedingungen, die mit den Neubauten verbessert werden sollen. Die Zerstörung öffnet eine Chance, bei aller Not, die der Luftangriff verursacht hat.

Mit dem Umbau könnten Licht, Luft und Sonne in die Quartiere kommen. Statt der verlorenen 70 alten Einheiten will man nunmehr 40 neue, „hygienisch einwandfreie“ Wohnungen schaffen. Verwinkelte, dunkle Höfe sollen lichten Flächen weichen. Läden für Bäcker, Metzger und Kolonialwaren finden sich im Plan. Es ist eine Harmonie zwischen Altem und Neuem. 

Eine markante Note ist an der Ecke der Krämergasse zur Geisgasse eingezeichnet. Ein größerer Block überragt die anderen Dachfirste um eine Giebelhöhe. Hier sieht der Architekt ein Kino mit 500 Plätzen vor, das auch als Festsaal genutzt werden soll - eine Gaststätte gleich mit dabei. 

Der bauliche Reparatur der zerstörten Teil der Altstadt würde auch ein Antrieb für die Eberbacher Handwerkerschaft sein - berücksichtigt „nach ihrer Leistungsfähigkeit“. Die Planer sehen in ihrem Projekt eine „glückliche Einfügung in den alten Stadtkern und eine reizvolle Belebung des Stadtbildes“. Die neuen Häuser sollen den Bewohnern eine „wirkliche Heimat“ sein.

Die im Krieg zerstörten Häuserzeilen werden wiederaufgebaut. Doch statt der vom Stadtbaumeister vorgeschlagenen, optisch kleingegliederten Häuser mit einer reizvollen Dachlandschaft baut man schmucklose, langgestreckte Häuserblöcke, im Kornmarkt, in der Unteren Badstraße und in der Geisgasse. In der Krämergasse entsteht ein Haus mit einem riesigen Eisentor. Es ist erst eine Garage, dann eine Werkstatt. Aus dem geplanten Kino mit Festsaal wird das Eberbacher Arbeitsamt.

Die nach dem Krieg in der Altstadt geschlossenen Wunden kann man noch heute erkennen. Das 1945er Projekt wäre eine gute Basis gewesen für die Altstadtsanierung, die in den 1980er-Jahren unter Bürgermeister Horst Schlesinger durchgeführt worden ist. Da war am Bild der Straßen und an den langweiligen Häuserzeilen aber nicht mehr viel zu machen. 

Was dann doch noch die Attraktivität erhöht hat: die neu angelegte Fußgängerzone und einige Gebäude, an denen man das Fachwerk freilegte. Auch wurde die Stadtfront zum Neckar hin verschönert. Das Alte Badhaus konnte vor dem Abriss gerettet werden, nebenan wurde der Lindenplatz wieder grün.

Ein bisschen wehmütig muss man heute schon auf die Pläne vom damals geplanten „Wiederaufbau in Eberbach“ blicken. Da hätte Eberbachs Altstadt heute ein paar ansehnliche Straßenzüge mehr. Die Chance lag auf dem Tisch - und wurde verpasst.

Info. Historische Beratung: Stadtarchiv Eberbach


 Nach dem amerikanischen Luftangriff am Palmsonntag, 25. März 1945.

Blick in den Kornmarkt beim Wiederaufbau.

Statt eines Kinos - hier wurde das Eberbacher Arbeitsamt gebaut.

Repros: Rainer Hofmeyer
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