Vier Haarnadelkurven
lockten in den Wald Offizielle Internationale Bergrennen - Grand-Prix-Stimmung in der Stadt
Bürgermeister Schmeißer (mit Fahne) startet 1959 das allererste Rennen.
April 2013
Von Rainer Hofmeyer
Von 1959 bis 1970 wurde auf der Serpentinenstrecke Richtung Schwanheim 17-mal das Eberbacher Bergrennen ausgetragen. Dann hat der Mannheim-Heidelberger Veranstalter von sich aus der Fahrerei im Wald ein Ende gemacht, letztlich aus Rücksicht auf die Nachbarschaft.
Hans Stuck
war selbstverständlich schon beim ersten Rennen 1959 mit dabei. Der deutsche „Bergkönig“ ließ es sich nicht nehmen, bis 1962 regelmäßig
an den Eberbacher Bergrennen teilzunehmen. Auch Sepp Greger, immerhin europäischer Bergmeister, holte sich auf unseren Serpentinen mit seinem Porsche 911 Wertungspunkte. Renn-Ass Eberhard Mahle
fuhr in einem Jahr mit seinem NSU-Prinz in den Graben, triumphierte in der anderen Saison mit einem starken Mercedes SL. Alle großen Namen waren also da, Eberbach war ein Nabel der Bergfahrerwelt.
Die Eberbacher Rennen gehörten zu den offiziellen Läufen um die deutsche Meisterschaft. Neben deutschen Piloten fanden vor allem Schweizer und Luxemburger Fahrer den Weg in den Odenwald. Teils zwei Mal im Jahr, im April und im Oktober, schickte der Veranstalter Heidelberg Sports Touring Club e.V. im AvD (HSTC) die Fahrzeuge auf die Kehren. Ab 1961 wurde das Rennen „international“. Im April 1964 kam der Verein mit dem Namenszusatz Mannheim (MHSTC). Samstags war Training, tags darauf wurden zwei Wertungsläufe ausgetragen.
Am Start der ganze Klassen-Querschnitt der Bergwertung: Tourenwagen, GT-Fahrzeuge und sogar Rennsportfahrzeuge der Formel 3. Vom NSU-Prinz bis zu großen Ferraris, Mercedes 300 SL und Porsche Carrera - alles auf der Piste. Dazu auch die Formel V - ein Monoposto auf der Basis Volkswagen. Die Formel-V-Rennpremiere am Berg gab es übrigens in Eberbach.
Anfangs hatte das Rennen einen stark amerikanischen Hintergrund: „Eberbach Hillclimb“ stand vor „Neckar-Bergprüfung“. Etliche Fahrzeuge gingen mit amerikanischen Army-Kennzeichen an den Start. Lieblings-Autoschilder für Fahrer aus dem Stuttgarter Raum: „S-AU“ plus Ziffer. Die Rennen waren offen, die Fahrer gingen ohne Rennställe an den Start. Selbst der Allemühler Wolfgang Winkler
ließ sich als Privatfahrer mit seinem DKW 3=6 per Frontantrieb über die Piste ziehen.
Die Streckewar2,5 Kilometer lang.
Der Start: Beim Ortschild ausgangs auf der Schwanheimer Landstraße. Beim 1961-er Streckenrekord brauchte Hans Stuck mit seinem BMW 70 rund 1:51Minuten bis oben ans Zielhaus. Der Schnitt: über 90 Stundenkilometer.
Der spätere Formel-1-Pilot Jochen Mass
hat den Anstoß zu seiner Karriere ausgerechnet Eberbach zu verdanken. Eine Freundin seiner Familie war im Schwanheimer Wald als Streckenposten eingeteilt und hat ihn mitgenommen. Jochen Mass war vom Geruch von Öl und Benzin und der Geräuschkulisse fasziniert. Höhepunkte im Werdegang des Mannheimers: Er fuhr bei 105 Formel-1-Rennen mit.
Nicht ganz so begeistert vom Geschehen an der Strecke war man in der stetig wachsenden Nachbarschaft im Elmele.
Unmut vor allem über die Lärmbelästigungen zu den Häusern machte sich breit. Als man seitens der Veranstalter den Anliegern persönlich schöne Blumentöpfe als kleinen Ausgleich für ihre Belastungen übergeben wollte, mussten sich die Club-Verantwortlichen so einiges anhören: „Jetzt wissen wir endlich, wer hinter dem ganzen Krach steckt.“
Im Bereich des Starts und der Anfahrt dorthin wurden über die Jahre immer mehr Häuser gebaut. Die Bedingungen für eine behördliche Erlaubnis des Rennens wurden immer strenger.
Selbst die Eberbacher Stadtverwaltung und das Landratsamt wurden am Ende sperrig. Zur Gefahrenlage kam der sich immer mehr verbreitende Gedanke des Lärmschutzes.
Der MHSTC reduzierte zunächst die Rennen auf den Frühjahrs-Lauf.
Dann traf der Club selbst die Entscheidung, die Wettkämpfe nicht mehr auszutragen. „Die Auflagen wären nicht mehr zu erfüllen gewesen“, hat sich bei Renn-Funktionär Ernst Walz eingeprägt; ab 1963 war er bei den Eberbacher Rennen in der Organisation dabei, später fungierte er als Chef der Streckensicherheit bei den deutschen Formel-1-Wettbewerben.
Die Ära der Eberbacher Bergprüfungen neigte sich dem Ende. Am Sonntag, 26. April 1970
fand nach 17 Veranstaltungen
das letzte Internationale Bergrennen
statt. Fortan organisierte der MHSTC Rundstreckenläufe auf dem Hockenheimring, da konnte es lauter zugehen. Mitte der 1980er-Jahre wurden in Baden-Württemberg Bergrennen sogar generell verboten. Dabei hatte in Eberbach alles perfekt angefangen. Hier war eigentlich ein Ersatz für die gut ausgebuchte Krähberg-Strecke. Die Stadtverwaltung bot die allerbesten Bedingungen. Hermann Dorner, anfangs Streckensprecher und später Clubpräsident des MHSTC, erinnert sich heute noch namentlich an Bürgermeister Schmeißer: „Bei dem haben die Dinge generalstabsmäßig geklappt“.
Der Rathauschef unterstützte anfangs, wo er konnte. Die Stadtverwaltung organisierte sogar den Vertrieb von Programmheften, die Eberbacher Schüler für den Preis von zuerst 1 Mark im Straßenverkauf an den Mann brachten. Nahe beim Startbereich wurde seitens der Stadt eigens ein großer Parkplatz eingerichtet. Von der Uferstraße bis auf die Neckarbrücke standen die Autos der Besucher. Es herrschte Grand-Prix-Stimmung in der Stadt. Die Rennsonntage waren ein Event für nah und fern. Da konnte es in Eberbach und Wimmersbach schon mal eng zugehen.
Der Eintritt: 1,50 Mark, einschließlich Versicherung. Die Zuschauer
waren begeistert. Ihre Zahl schwankte zwischen 7000 zu Anfang und 25 000 (1961).
Die Fans standen bei den vier scharfen Haarnadelkurven und vornehmlich auf der Naturtribüne an der rechtwinkligen „Volvo-Kurve“ (der erste verunglückte Wagen) gleich nach dem Start. Der heimische Ingenieur Hans Laule (Anker-Lichtspiele) drehte Filme über die Rennen, die sein Sohn Udo Laule inzwischen auf YouTube ins Internet gestellt hat.
Die Kosten der Veranstalter wurden durch den Einsatz von US Army und Bundeswehr
gedrückt. Die einen standen mit großem Bergungsgerät parat, die anderen organisierten den Funk an der Strecke. Die Einsätze wurden als militärische Übung angesetzt und nicht berechnet. Sicherheit schrieb man in jenen Jahren allgemein noch nicht so groß wie heute. Es gab aber immerhin einen offiziellen Rennarzt: Dr. Metz aus Eberbach. Die Feuerwehr lauerte mit einem Löschwagen auf einem Waldparkplatz. Das Rote Kreuz stand mit einem Zelt an der Strecke. Auch da gab es keine Rechnung.
Das Rennen kostete aber Menschenleben und Verletzte.
„Eberbach war eine schwierige Strecke“, bestätigt Sicherheits-Experte Ernst Walz. Strohballen in den engen Kurven wurden erst 1962 aufgebaut. Diese Biegungen waren aber nicht das größte Problem. Die lange leichte Linkskurve vor dem Ziel konnte man mit Vollgas fahren, ungesichert an den Bäumen vorbei.
Es passierte immer etwas. 1960 gab es zwei leichtere Unfälle. Ein Jahr später erwischte es sogar den Schweizer Meister Karl Foitek in seinem Fiat-Abarth an einem ungesicherten Baum - leichte Gesichtsverletzungen. Im Jahr 1962
raste der 28-jährige Horst Becker aus Enkirch (Mosel) mit seinem Porsche Carrera
gegen an einen am Rand stehenden Holzstoß, überschlug sich und landete an einem Stamm. Der junge Mann war sofort tot.
Im Gegensatz zu anderen Bergrennstrecken bot Eberbach eine Spezialität. Zwischen den regelmäßig zwei Wertungsläufen mussten die Wagen nicht wie andernorts am Ziel warten und dann geschlossen über die Strecke retour. Die Rennteilnehmer durften vielmehr über Schwanheim, Allemühl und Pleutersbach auf ganz normaler Straße zurück zum Parc Fermé beim Sportplatz in der Au fahren. Das machte den Ablauf auf der Strecke flüssiger. Der Kleine Odenwald dröhnte. Bis zum Frühjahr 1970.
Nach dem letzten Motorenheulen sollte es bei Rennen stiller zugehen im Wald Richtung Schwanheim und darüber hinaus. Die von Wettkampf und Rückmarsch genutzte Strecke wollte Jahre später Rudi Altigs Mannheimer Radrennsportclub zu leiseren Radrundfahrten nutzen. Das hätte die Kleinstadt am Neckar wieder in rennsportliche Erinnerung gebracht. Aber da war das Interesse der Eberbacher an Rennen
jedweder Art doch wohl erloschen.