Vor 50 Jahren, am 8. Mai 1965, wurde das Eberbacher Hohenstaufen-Gymnasium eingeweiht - Schüler machten den Umzug selbst
Schöner geworden ist das Gymnasium im Laufe der Erweiterungen nicht.
8. Mai 2015
Von Rainer Hofmeyer
Früher starteten die Gymnasiasten noch in der Sexta. Heute ist das schlicht die 5. Klasse. Das Reifezeugnis erhielt man als Oberprimaner - meist nach neun gymnasialen Jahren. Diskussionen um G 8 oder G 9 gab es nicht. Nicht nur was die Bezeichnungen angeht: In den letzten 50 Jahren hat sich so einiges im bundesdeutschen Schulwesen geändert. Dieses halbe Jahrhundert mit gesellschaftlichen Umbrüchen und immer neuen Schulreformen ist auch über das Hohenstaufen-Gymnasium hinweggezogen. Das hätte jetzt Grund zum Feiern: Am 8. Mai 1965 wurde das neue Haus am Itterberg eingeweiht. Besonders begangen wird das 50. Jubiläum jedoch nicht. Für große Sprünge fehlt inzwischen das Geld - oder die Lust.
1965
konnte sich Eberbach die neue Schule locker leisten, heute knappt die Stadt schon an den Reparaturen. Damals war Eberbach stolz auf sein neues Gymnasium, heute gibt es wegen des Gebäudes sogar einen Untersuchungsausschuss im Gemeinderat. Dabei war die neue Lehranstalt ein Quantensprung
- raus aus dem alten Gemäuer in der Eberbacher Bahnhofstraße,
das im Laufe der Zeit so viele unterschiedliche Namen hatte und am Ende aus allen Nähten platzte: Höhere Bürgerschule, Realschule mit Einjährigem, Oberrealschule, Realgymnasium, Realprogymnasium, Oberschule mit Abitur, Hohenstaufenschule. Die Evangelische Diakonatsschule von 1833 gilt als Gründungseinrichtung, zuerst in der Friedrichstraße gelegen. 1928 wurde das erste Abitur in Eberbach abgenommen,
mit zwölf Schülern.
Das Haus in der Bahnhofstraße
wurde 1886 gebaut.
Neun Jahre später war es schon zu klein. 1904
musste die Dienstwohnung des Schulleiters
zu einem Lehrsaal für Physik und Chemie umgebaut
werden. 1914/15 dachte man erstmals an einen Neubau.
1949 wurde ein zweites Obergeschoss aufgesetzt. Dazu kamen noch vier behelfsmäßige Klassenzimmer an der Rückseite des Schulhofes. Eine unverputzte Baracke im Garten
ergänzte das Raumangebot für eine Klasse und mit einer Toilettenanlage plus Fahrradkeller.
Diese Bude trennte den Schulhof: In der linken Hälfte drehten sich die unteren Schulklassen
während der Pausen artig im Kreis, im rechten Teil konnte sich die Oberstufe
unbeeindruckt entspannen.
Die 14 Abiturienten des Jahrgangs 1965
machten die Prüfung noch in der alten Schule.
Dann folgte der langersehnte Umzug in den modernen und schlichten Zweckbau im Karlstal.
Ob heute ein Pennäler noch zu veranlassen wäre, einen toten Vogel offen durch die Stadt zu tragen, sei dahingestellt. Vor 50 Jahren mussten jedenfalls die Schüler der Unter- und der Mittelstufe
Hand anlegen. Während sich die zwei oberen Klassen schonen durften, transportierten
die unteren in mehreren Etappen eigenhändig das Einrichtungs- und Lehrmaterial zum Neubau am Itterberg. Entweder in einer langen Schlange zu Fuß oder per Leiterwagen. Die Lehrerschaft um Oberstudiendirektor Norbert Kühn
spielte den Generalstab, hielt sich aber manuell dezent zurück, hatte „die Aufsicht“.
Die schleppenden Schüler von 1965 feiern bald das goldene Abitur.
Wolfgang Muff-Hohmann, heute 66, Diplomingenieur und Rentner, erinnert sich daran, dass seine Untersekunda (die Zehnte!) die Lehrmittel aus Biologie und Chemie
spedieren musste. Gustel Mechler, zwei Klassen drunter in der Untertertia, verbrachte das aufgeschnittene Holzauge aus dem Anschauungsunterricht Mensch in die neuen Bio-Räume.
Gisela Stephan, jetzt Scheithauer, 66 und Unternehmerin für Handspielpuppen, hat die Kommentare des Spalier stehenden Publikums in Erinnerung, das amüsierte Bemerkungen über die schülerische Plackerei abgab. Evelyn Fischer, verheiratete Knupfer, Apothekerin, hat noch die kilometerlange Parade vor Augen, an deren Spitze ein echtes menschliches Skelett
aus dem Fach Biologie geschleppt wurde, hinterher ellenlange Schläuche aus dem Physikunterricht. Es kam jedoch nicht alles heil in der neuen Schule an. So manche Deutschlandkarte,
seinerzeit noch „in den Grenzen von 1937“, bekam ihren Riss ab.
So manches Reagenzglas musste nach dem Transport ersetzt werden. Wolfgang Muff-Hohmann weiß auch noch, dass für die Zeit des Umzugs die feste Hierarchie der Schule außer Kraft gesetzt worden war: Die Schlepper aus den unteren Stufen durften ausnahmsweise den Haupteingang zur Bahnhofstraße
benutzen - sonst streng den Lehrern und den höheren Klassen vorbehalten. Mit der strikten Rangordnung war es im früheren Gymnasium in der Bahnhofstraße eben noch anders als in der späteren, aufgeklärten Zeit nach den 1968er-Unruhen.
Auf den modernen Bau am Berg freuten sich alle. Auch deshalb, weil an der schönen Schule am Parallelweg der edle Name Hohenstaufen-Gymnasium
in Odenwälder Sandstein angebracht wurde. Kunstlehrer Konrad Schönig entwarf sogar ein historisch aufgemachtes Schulwappen. Ein halbes Jahr nach Fertigstellung der Turnhalle am Itterberg
waren am 13. September 1962 die Bauarbeiten für die neue Schule gestartet
worden. Die Planung hatte das Ettlinger Ingenieur-Büro Günther Seemann.
Die Bauarbeiten mussten seinerzeit noch nicht europaweit ausgeschrieben werden. Dieses Mal war die Eberbacher Firma Rudolf Gärtner
bei der Vergabe des Auftrages an der Reihe. Die obligate „Kunst am Bau“ schmiedete der heimische Schlossermeister Konrad Hofherr
- eine eiserne Plastik im Treppenhaus nach einem Entwurf von Heiner Knaub, Schüler des Dessauer Bauhauses.
Die Bausumme
war anfangs mit 3,4 Millionen D-Mark
angesetzt. Die Schlussrechnung belief sich auf 5,1 Millionen Mark
- direkt umgerechnet heute 2,6 Millionen Euro. Ein Viertel schoss der Landkreis Heidelberg zu, das Land steuerte ebenfalls einen Teil bei.
Was den Schülern damals besonders gefiel: In der neuen Schule gab es endlich moderne Tische und Stühle. Mit diesem Mobiliar fanden die 523 Gymnasiasten
nach dem Umzug reichlich Platz. Schließlich war das Haus auf rund 700 Schüler
ausgelegt. Mit 281 kamen die meisten aus Eberbach selbst.
Die revolutionären, autoritätsfernen 1968er-Jahre waren drei Jahren vorher noch nicht zu erahnen. Mit uneingeschränktem Beifall wurde deshalb 1965 noch ein schwülstiges Gedicht bedacht, das ein Oberstudienrat der Schule zur feierlichen Einweihung verfasst hatte: „…Das neue Haus steht fest im Grund, ein Hort der Zucht und hohen Tugend.
Dank spricht aus jedem Blick und Mund. So reife denn mit Gott gesund, hinein ins Leben, deutsche Jugend!“
50 folgende Jahre haben am inzwischen mehrfach erweiterten Hohenstaufen-Gymnasium ihre Spuren hinterlassen. Nicht nur äußerlich. Nachdem die Schülerzahl 1979 den Spittzenwert 1 240
erreicht hatte, sank sie auf jetzt rund 800. Gerade mal 100 über der Planzahl von 1965.