Am 15. März 1946 wurden die 1933 und 1934 in Eberbach bejubelten Ernennungen aberkannt
Am "Tag von Potsdam", dem 21. März 1933, hatten Hindenburg und Hitler die städtischen Ehren bekommen
Diese Ehrenbürger-Urkunde gestaltete
der Eberbacher Kunstmaler Richard Hemberger. Die anderen zeichnet ein Karlsruher Grafiker.
Februar 2014
Von Rainer Hofmeyer
Wenn man den eindrucksvollen Artikel in der Eberbacher Zeitung
vom Mittwoch, 22. März 1933,
liest, dann kann man sich kaum vorstellen, dass es am Vortag überhaupt jemanden gegeben hat, der nicht zur Feier der nationalsozialistischen Bewegung auf den Beinen war.
Berichtet wurde von nur „einem winzigen Bruchteil“, der nicht an der Straße stand und dem Aufmarsch der Vaterländischen beigewohnt hat. Eberbach und seine Häuser waren beflaggt - schwarz-weiß-rot, mit Hakenkreuz-Fahnen, in badischem Gold-Rot-Gold und in städtischem Blau-Weiß.
Von rund 4 000 Zuschauern
wurde geschrieben. „In Potsdam hörten wir den festen Marschtritt der Truppen, in Eberbach sah man das Volk, wie es geschlossen marschierte, einig, frei und froh zur Nationalen Feier“, jubilierte der patriotisch gesinnte Schriftleiter.
Der 21. März 1933 war der „Tag von Potsdam“, die Eröffnung des am 5. März gewählten neuen Reichstages. Der Höhepunkt war ein Staatsakt in der Potsdamer Garnisonkirche. All das brachte den Nationalsozialisten die notwendige Zustimmung für ihre künftige Politik. Das Ermächtigungsgesetz konnte am 23. März 1933 im Reichstag mit einer Zweidrittelmehrheit durchgesetzt werden. Es schuf die rechtliche Grundlage für die NS-Diktatur.
In Eberbach gab es am 21. März1933 einen abendlichen Fackelzug und eine Feierstunde am Neckarlauer - in einer Größe, „wie sie Eberbach noch nie erlebt hat.“ Die Zugstrecke: Von der Schafbrücke bei der Ecke Odenwald- zur Hohenstaufenstraße bis zum Neckarlauer marschierten SA und SS, Spielmannszug, „alle nationalen Verbände“, die „vaterländischen Vereine und Gruppen“, dazu alle Schulen mit ihren Lehrern. Der Platz auf dem Neckarvorland „erhielt seine Weihe, wie sie schöner nicht hätte sein können.“ Ein „Freiheitsfeuer“, ein entzündeter Holzstoß, beschloss den Abend. Trotz einsetzenden Regens hielten die Teilnehmer „bis zum Schlusse unentwegt aus“.
Mit dem „Tag von Potsdam“ begann auch für Eberbach eine neue Zeit. Die Eberbacher Zeitung schrieb, endlich wieder könnten „nationales Handeln und Fühlen in den Vordergrund rücken“, statt „Zermürbung, Kummer und Elend“. Bei der Feier spielte die Feuerwehrkapelle: „Wir treten zum Beten vor Gott, den Gerechten.“ Dann frohlockte Ratschreiber Friedrich Bender - der Ortsgruppenführer der NSDAP, der zwei Monate später Bürgermeister in Wertheim wurde. Bürgermeister Dr. Dr. Friedrich Wenz, genau an diesem Tag der NSDAP beigetreten und ab dem nächsten Tag in SA-Uniform, löste Begeisterung und „Heil-Rufe“ aus, als er die höchste Auszeichnung der Stadt bekanntgab: Hindenburg und Hitler waren wenige Minuten vor der Nationalfeier vom Gemeinderat auf Vorschlag von Wenz zu Ehrenbürgern ernannt worden. Im Mai nahm Hitler das Ehrenbürgerrecht „mit aufrichtiger Freude“ an.
Einige Eberbacher Straßen erhielten gleich am Tag nach der Feier neue Schilder: Kirchenstraße und Bahnhofstraße (heute beide zusammen Bahnhofsraße) wurden zur Hindenburgstraße. Adolf Hitler bekam die Itterstraße, dazu den Bahnhofsvorplatz als Hitler-Anlage. Für Reichsstatthalter Robert Wagner (geborener Backfisch) wurde die zu seinem Heimatdorf Lindach führende Neckarstraße umbenannt.
Wagner wurde aber erst im Jahr darauf Ehrenbürger - auf Antrag der NSDP-Fraktion im Gemeinderat vom 15. März 1934. Die Urkunde wurde Wagner am 26. März 1934 auf dem Aufmarschplatz der Nazis überreicht, dem Neuen Mark. Die Eberbacher Zeitung, inzwischen längst mit dem Untertitel „Eberbacher Tageblatt für nationale Einheit“ veredelt, sprach von „freudiger Erregung und Spannung“ in der Stadt und entbot „dem Sohn unserer engen Heimat“ Robert Wagner „treue Willkommensgrüße“.
Eine prächtige Urkunde bekam 1938 auch Franz Ritter von Epp, General und inzwischen Reichsstatthalter in Bayern, Sohn des Eberbacher Kunstmalers Rudolf Epp und deshalb als „Enkel der Stadt bezeichnet“. An Ritter von Epps 70. Geburtstag Ende Oktober des Jahres fuhr der übernächste Eberbacher Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer (1935 bis 1945 und 1954 bis 1972) eigens zur Überreichung des Ehrenbriefes mit seinem Beigeordneten nach München.
Dreizehn Jahre nach dem Jubel am „Tag von Potsdam“ war der Zweite Weltkrieg verloren, das Dritte Reich am Boden zerstört, Eberbachs Zentrum in Teilen niedergebombt und die Stadt seit März 1945 bereits von dem Amerikanern besetzt. Auch in Eberbach bedrückte die Menschen die „Frage nach der deutschen Schuld“. Die „politische Reinigung“ bestimmte nunmehr das wirtschaftliche und soziale Leben. Ende Januar 1946 wurde ein neuer Gemeinderat gewählt (wir berichteten). Anfang März haben die Amerikaner Kurt Nenninger (SPD) als kommissarischen Bürgermeister eingesetzt.
Dann wurde aufgeräumt. Am 15. März 1946 waren die aufwändig gestalteten Ehrenbürgerbriefe für Reichspräsident und Nazi-Größen nur noch Makulatur. Jetzt war der Jubelsturm von damals traurige Geschichte. „Aberkennung der Ehrenbürgerrechte von Hitler, Hindenburg, von Epp und Wagner“, verzeichnen die Eberbacher Chronisten ganz lapidar. Die braun-benannten Jubelstraßen erhielten wieder ihre alten Namen.
Die nach dem Gründer der Eberbacher NSDAP-Ortsgruppe benannte Pleichingerstraße, dereinst Teil der Oberen Badstraße Richtung Brücke, verlor auch ihr Straßenschild. Der Straßenabschnitt bekam den Namen des am 9. März 1933 von den Eberbacher Nationalsozialisten ermordeten Adolf Knecht. Der wurde zwei Wochen vor der großen nationalen Feier der Eberbacher Bürgerschaft von einem Trupp SA-Männer niedergeschossen und zusammengeschlagen. Das war nur wenige Meter entfernt vom Platz des dereinst großen nationalen Beifalls.
Info. Historische Beratung: Stadtarchiv
So feierte die Eberbacher Zeitung die neuen Ehrenbürger. Der Artikel vom 22. März 1933.
Der kommissarische Bürgermeister Nenninger unterschreibt im März 1946 das Protokoll.
Mai 1934:Robert Wagner wird von einem SA-Mann die Ehrenbürger-Urkunde verlesen.
Der eine im Dritten Reich, der andere danach: Ehrenbürger Robert Wagner (M.) und Hermann Schmeißer (r. daneben).