Der Schlachtenlärm von Verdun war im Ersten Weltkrieg tatsächlich in Eberbach zu hören
Die Dicke Berta - das größte Geschütz im Ersten Weltkrieg war von Verdun bis Eberbach zu hören.
Oktober 2016
Von Rainer Hofmeyer
Stadtarchivar Rüdiger Lenz hielt die Meldung für überprüfenswert. Im Geschichtsblatt für 1916
wurde zum Ersten Weltkrieg (1914 - 1918) erwähnt, dass der Geschützdonner der Schlacht um Verdun sogar bis nach Eberbach zu hören
war. Die Stadtchronik von 1916 berichtete vom Beginn des Kampfes am 21. Februar
mit einem Angriff deutscher Truppen auf die französische Festung. Die Gefechte endeten am 19. Dezember 1916 und waren die bedeutendsten Kämpfe des Ersten Weltkrieges an der Westfront zwischen Deutschland und Frankreich.
In einer Verööfentlichung zum Beginn und Verlauf des Ersten Weltkrieges wurde die Niederschrift zitiert. Am 2. März 1916
beispielsweise bemerkten die Regesten: Die Eberbacher versammeln sich immer wieder oben am Itterberg,
um das Donnern der Kanonen aus der Ferne zu vernehmen. Das wollte Lenz wissen: Konnte es überhaupt physikalisch möglich
sein, dass der Schlachtenlärm von Verdun an der Maas bis nach Eberbach
am Neckar drang?
Historiker müssen immer zweifeln können, lautet ein Credo des Stadtarchivars. Und sie müssen die Geschichtsschreibung auch korrigieren, wenn es neuere Erkenntnisse gibt. Was ist dann besser, als einen Geschichtskundigen um Überprüfung zu bitten. Rüdiger Lenz konnte den Heidelberger Historiker Peter Zimber
zur Mitarbeit für das aktuelle Geschichtsblatt 2016 bewegen. „Der Kanonendonner von Verdun - ein akustisches Phänomen der Jahrhundertschlacht von 1916“, so sein Bericht.
Als am 21. Februar 1916
im zweiten Kriegsjahr die Schlacht um Verdun
endlich begann,
lag im Einsatzgebiet noch Schnee.
1200 bis 1400 deutsche Kanonen eröffneten das Feuer gegen den Feind im Westen. Darunter auch die „Dicke Berta“ mit einem Kaliber von 42 Zentimetern. 600 französische Kanonen standen auf der Gegenseite. Der Lärm im Schlachtfeld war so stark, dass vielen Soldaten das Trommelfell platzte.
John Gustav Weiss,
Bürgermeister von 1893 bis 1927, gilt als historisch zuverlässiger Zeitzeuge. Er schreibt im Geschichtsblatt für 1916, dass wenige Tage nach Beginn der Schlacht immer wieder viele Eberbacher den Itterberg hinaufwanderten, um dem fernen Geschützdonner von Verdun zu lauschen. Peter Zimber hat sich für seine Überprüfung um vergleichbare Meldungen aus dem Reich bemüht. Um 8 Uhr am Morgen des 21. Februar 1916 begann das Hämmern der Geschütze.
Knapp eine halbe Stunde später bleiben die Menschen in Köln, Stuttgart, Heidelberg und Freiburg stehen, vernehmen sie ein fremdes Dröhnen, „das die Ohren peinigt und die Brust erschüttert“, zitiert Zimber einen elsässischen Schriftsteller, der über den Ersten Weltkrieg geschrieben hat.
Die exakte Zeit der Wahrnehmung des Kanonendonners im Westen und Südwesten Deutschlands korrespondiert mit der physikalischen Ausbreitung der Schallwellen
nach Beginn des Kampfes. Auch im hessischen Wetterau wurde der Donner gehört, in Ingelheim am Rhein, genauso wie im 260 Kilometer von Verdun entfernten englischen London oder in Dublin, 880 Kilometer
weg. 250 bis 300 Kilometer beträgt die Luftlinie vom Schlachtfeld um Verdun bis Eberbach.
Eine Strecke, die im Bereich der anderen Wahrnehmungen liegt.
Zimber holte sich weitere Bestätigungen für den Eintrag des Bürgermeisters Weiss. Beim Zentrum für Militärgeschichte der Bundeswehr in Potsdam und beim Deutschen Wetterdienst (DWD) in Offenbach. Ausschlaggebend für mögliche ferne Wahrnehmungen des Kanonendonners um Verdun war vornehmlich die Wetterlage zum Zeitpunkt des Beginns der Schlacht. „Vorherrschend westliche und südwestliche Winde über dem mittleren Europa“, lauteten die Wettermeldungen von Februar und Anfang März 1916. „Eine weit verbreitete Schallverfrachtung weit nach Osten“ war möglich, so die Expertise des deutschen Meteorologen Cord-Jürgen Garve vom DWD. Für Peter Zimber die Bestätigung: Bürgermeister John Gustav Weiss hat authentisch berichtet.
Der Kanonendonner von Verdun war im Februar 1916 auch am Eberbacher Itterberg zu hören.
Geschosse im Ersten Weltkrieg.
Meldung von John Gustav Weiss über den Geschützlärm im Februar 1914.