Urteil des Zentgerichts im Kuckucksprozess 8. Januar 1605
[transkribiert von Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz]
(Auszug aus den Protokollen des Rüg-, Zent- und Landgerichts 1594-1714), Generallandesarchiv Karlsruhe 61/5561 fol. 42-43
fol. 42
Martin am Ent bitt Urtheillabsch[rifft]
wie auch Lenhard Schöfer
ward gutwillig zugelass[en]
[am Rand:] beede Partheien bat[en] Urtheilsabschrifft
fol. 43
Auff Dinstag den 8. January A[nn]o. 1605
In der strittigen Injurisach[en] sich haltten zwischen Lenhard Schöfern, [durchgestrichen: burg[er]] Gemeinsman zu Neckerwimmerspach, Clegern, an Einem entgegen und wid[er] Martin am Endt, Burgern und Kiferrn alhie zu Eberbach, Be[klagten] am Andern, erkentt ein Erbarer Zent- und Landricht[er] alhie zu Eberbach nach Klag, Antwort, Rede, Widerrede, geführtn Beweiß, auch allem andern [durchgestrichen: schafft] Vorbring[en] unnd beschlißen in Conventione zu Recht, das der Vorbe[klagte Martin am Ent zuviel gethan und wider die Gebür den Vorklegern geschmehett[1]), solle deroweg[en] diß mit der kleinen Buß undt Abtrag [durchgestrichen und wieder unterpunktet:)] gegen dem Herrn Schultheiss, [durchgestrichen: vertheilig[en]] in Reconventionem aber, das der [verbessert aus: dem], [durchgestrichen: Vorcleg[er] und] Nachbeklagt[e]** gar Unrechtt gehandlett, deshalb[en] die hohe als 3 Theil Buß [durchgestrichen: alß drei Theil] gegen Churfl. Pf[altz] und das vierte Theil gehett ann diesen Zent- und Landgericht[2]) [durchgestrichen: vertheilig[en] umb das er wissens] vertheilig[en] unnd dem Nachkleg[er]n** mitt 15 fl. vor den bewissenen Schimpff und Spott erlegen solle. [durchgestrichen: Was so [man] thue auch hiemit an der gemeinen Burgerschafft desweg[en] habende Klag Churfl. Pf[altz] heimweissen] Und hiemit der Sach[en] richterlich erkant und noch [durchgestrichen: also] geschlichtt, das es [durchgestrichen: diesen] beed[en] Partheien [durchgestrichen: werden] an Ehre nit schedlich sein soll, die deswegen ufgeloffen Gerichtskosten unß bare compensiret hernach Ursach[en] und in beede Puncten verglichen.
** [[ Vorkläger war Wirt Leonhard Schäfer, der zuerst gegen seinen Gast Martin am Endt (vor dem Stadtgericht) wegen Beleidigung klagte.
Schäfer wurde zusätzlich zum Nachbeklagten, weil er im Prozess vor dem Zentgericht von Martin am Endt beklagt wurde, da er ihm die falsche Taube vorgesetzt hatte.
Gast Martin am Endt beklagte den Wirt Leonhard Schäfer erst im Prozesse vor dem Zentgericht, weshalb er damit als Nachkläger bezeichnet wurde; heute würde man von einer Gegenklage sprechen. (rho) ]]
[1]) Schmähungen zählten zu den Zentfällen (BWD IV nr. 5 Zentweistum 1602 (§ 9 Schmach, Nachrede und Scheltwort sind Zentrügen.) Ähnlich nach dem Kellereiweistum von 1599 (BWD IV nr. 10 § 6): Sog. Schmehreden sind Zentrügen.
[2]) Nach dem Zentweistum von 1602 (§ 10) beträgt der große Frevel 32 lb. h.[Pfund Heller], davon erhält die Pfalz drei Viertel, ein Viertel fällt an den Richter. Der kleine Frevel betrug ein lb. h [1 Pfund Heller]. Nach dem Kellereiweistum von 1599 (BWD I,4 nr. 10 § 7) umfasst der Zentfrevel 32 lb.h.. Davon erhielt der Zentgraf, der Eberbacher Stadtschultheiß, ein Viertel (= 15 ß h) .
Auszug aus den Gerichtsprotokollen des Stadtgerichts 1604
[transkribiert von Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz]
fol. 23v
Verhandlung vom 16. August 1604
Ist ein Kaufgericht [vergleichbar mit einem Verfahren der Privatklage - im Gegensatz zur öffentlichen Klage; rho] gehalten
Judices:
Michel Conradt Hans Walter Capar Barth
Jörg Beier Hans Ridinger Hans Eck
Christman Wider Jorg Drautman Jacob Harmann
Hans Braun Jacob Stumpf, Flöser Hans Merckel
Lenhard Schöfern vom Wimmerspach klagt durch Michel Englern uff Martin am Endt, demnach sich uf Pfingstag zugetragen, das Martin am End neben andern zu Wimmerspach ein Underdrunck mit dem Artzen gethan, da habe der Artz Fögel begehrt, underdessen ein Bub ein Gutzgauch gehabtt, da habe der Artz den kauff, und der Vogel sei nachgehents gestorben, habe sein fl. [1]) mit ein Kelich [2]) ihn uf die Mist geworffen, widerumb ufs Artz Begehrn denselben geholt, den der Artz gerupff und ihr zu braten bracht, so sie Würthin ihme ihn in Schmaltz gebraten und neben andern Vögeln die Frau zwischen ihme Klegern hinein uf den Disch gesetztt, habe der Arz gleich
fol. 24r
davon geschnitten, und der Arz ihme Klegern gesagt, es sei ein Guzgauch, er Kleger habs nit gewust, köns bei Pflichten erhalten, da habe Martin gleich von den G[utzgauch] gessen und daruf ihn Klegern geschmehet, begehrt Chur [3]) und Wandel und den Kosten.
Martin am End Be. Durch Bastian Mengessen nach gerichtlichen Brauch bringt dagegen vor, das uf verschinen Pfingsten sie den Schuppen besuchtt, habe der Artz, alss sie heim wollen, gehen gesagt, sie sollen ein Drunck ins Klegers Haus thun, da habe Schöfer gesagt, wolt ihr Vögel haben, ufgestanden, sie bracht, so zimblich klein und mitten ein gross wie ein Ammelster, und Kleger den Martin, alss andern vorgelegt gewessen, vorgelegt, so wider in die Schüssel gelegt, Schöfer wider vorgelegtt, da habe Be. ein Stück davon gessen, Peter Leutz auch 1/4 gessen, underdessen sie der Artz und Kleger einander in die Ohren geblisent und Cleger gesagt, Martin, wie wan Du ein Gutzgauch gessen und Guckuck geschrien, dan den Montag hernach zu ihme Mengesse gesagt, es were ein Gutzgauch gewessen,
fol. 24v
welches nun den Hern Burgermeister zu Meintz vorgeworffen, da habe er B. gesagtt, der Deufel soll es denen gesegnen, die es fressen und sei Kleger Be. in Streit nit, sein hoff hern gerhaten, habe er ihn ein Gutzgauch-Fresser geheissen, also erzürnt, und habe Kleger zum ersten Guckuck geschrien. Nun habe Be. in Barthel Belle Haus gezecht und in dem Barthel Storck kommen, habe Be. ihne Klegern ein Dib und Schelm gescholten, biss er sein die Sach usstrage, will er nur Speiss vorgetragen, so tod gewessen, so hoff er, er habe nit rechtt gehandlet, also er Be. nit gefrefflet, klag solches, wolt lieber 100 fl. geben, das nit geschehen were, klagt 30 Daler, doch vorbehaltten der Statt und gemeiner Burgerschafft, ihre Klag neben Erstattung Kostens, begehrt doch 14 Tag Dilatones [4]), ein gemein Compassbrieff [5]).
Zeugen, so Cleger vorgesteltt
fol. 25r
haben die drei Weiber anglobtt an Schultheissen Stab
Anna Hans Schuppen Witwe sagt, wie des Meister Hansen Knecht ein Gutzgauch im Körbel bracht, derselbe sei gestorben, der sie ihn uf die Mist geworffen, uffs Meister Begehren geholt, der ihn geropfft und dan in Sack gestossen und habe in solchs ihre Man selligen gesagt, der ihme Meistern gewehrtt und gesagt, ich thett es nit.
Berbel Schupp, Hansen die 1. Dochter sagtt, sie hab den Gutzgauch ropfen sehen ihn Artz und gesagtt, ihr fles [?] hurtig, damit habe er ihn in die Hossen gestossen.
Marg[aret], die ander Dochter
Wie die Mutter, kurtz halben nit beschrieben werden mögen.
Endris Ott, des Be. Zeug
sagt, der Gutzgauch were dott gewesessen, wie er in Schöfers Haus kommen, sei er schon gessen gewessen, da habe Kleger gesagt, sie hatten den Gutzg[auch] schon gessen.
fol. 25v
Grates [6])
Be. bitt einen Compasbrief und ferner Zeugen zu seiner Nott halben zu verhören.
Cleger sagtt, er seie der Zeugen zufrieden und habe ihn nit also schmehen, sondern klagen soll, wuste nit drei zu willigen, seztt zu bescheiden daruff bescheiden.
Ist verwilligtt und 14 Tag Dilation[es] [7]) zugelassen.
[Zeugenverhör vom 23. August 1604 → Or. in: I nr. 80]
Verhandlung vom 10. September 1604
fol. 28r
Martin am End contra Lenhard Schöffern
Be.: Berricht verschlossener Kundschafft.
Bitt dieselbe zu eröffnen, steltt pehendt [8]) Zeuge vor: Philips Schab Melchiorn Schneider.
Schöffer durch Lenhard Seitz ist allerdings zufrieden und stelt vor Heinrich Schneidern und Simon Kern.
fol. 28v
Die Zeugen haben ussgesagtt bei ihren burggerlichen Pflichten:
Melchior Schneider, Bader zu Gerach uf die 4 Puncten, so Martin ubergeben
1
Ja: er habe in
2
Sagt Zeug, wie das der Arz gesagt zu Schöffer, er soll ihme den Vogel braten, Schöffer gesagt, wer mus davon essen, Arzt gesagt und der müsse darvon essen, die Ehre nit genommen.
3
Wüsste nichts davon
4
Ignorantiam [9])
Sonsten habe er, Artz, gesagtt, sie habe ihn alzeit gevexirt [10]) mit den storcken, schluer verkaufft, also er die Bossheit gethan.
Philips Schab, Gemeinsman zu Neckerwimmerspach, zu Frag, was er, Zeug, von Schöffern ufm Kegelblatz gehörtt
fol. 29r
Daruff ussgesagt, das Heinrich Schneider gesagtt, wie das der Arztt solle den Gutzgauch Schöfers Frauen haben brachtt, darnach der Schöffer geschrien haben soll, wie sie schreyen, sonsten wisse er nichts.
Heinrich Schneider sagtt, wie er des Artzt Knecht den Gutzgauch kaufft, sonsten nichts.
Simon Kern: Er hab gehört, es sei eine Gutzgauch gewessen von Lenhard Schöffer hab geguchts
Peter Leutz würd vorgestelt von Klegern
Will nit Kundtschafft, sondern sey auch interessirt:
Daruff gesagtt:
Wie es neben Martin am End in Schöfers Haus gezehrtt, habe Schöfer den Vogel dem Martin dargelegtt, der ihme auch ½ Vogel dargelegt, so er gessen und weil dem also sagt er, er habe ihn das Geltt nit recht abgenohmen
fol. 29v
Martin am Endt, er holtt der dreien Zeugen Aussage, wie auch alles anderst und habe Cleger zuviele gethan, das er ihme ein doten Vogel zu essen geben, bitt, das er Cleger solches gegen unsern gstn. Herrn und dieser Statt verlestigen, sambt alle Kosten.
Cleger sagt, die Zeugen reden vom Hörssagen mehrertheils und stime ihn nichts darumb wissent gewessen. Item der Vogel sei mit einer Glofen umbbracht und nit gestorben. Und habe es der Artz nachgehents uber Disch ihme in ein Ohr gesagtt, habe der Artz viel angefangen, könne er nit dafür. Item es befrembde ihnen, das er ihn so gescholtten, bitt desshalben ein offentlich Widerruff und Brief und Sigel.
Be: Er holt der Zeugin Ussage, das genugsten bewisen, das er Be. darumb bewust, und weil er Cleger ihn in grossen Kosten getrieben, also klagtt er wie oben: setzt zu Rechtt, wofern kein Wirkung kombt und fordert Clegern 3 Osten [11]), dan auch, wo es ihme schaden soltte uber kurtz oder lang, solches zu klagen vorbehalten.
fol. 30r
Cleger er holt Priora [12]), den Widerruf und den Kosten, sezt zu Rechtt:
Be: seztt es auch zu Rechtt.
Diess Urtheil ist reservirt bis zu andern Gerichtstag.
Judex Jörg Beier.
[1]) f = factum
[2]) kebich = Leichnam
[3]) Behandlung, Heilung, auch: Strafe
[4]) Aufschub, Frist
[5]) Schreiben um Amtshilfe.
[6]) [Versuch einer] Aussöhnung
[7]) Aufschub, Frist.
[8]) im Sinne von : peinfähig [strafmündig ?].
[9]) Unkenntnis.
[10]) mißhandelt, im Sinne von verulkt.
[11]) Hostien.
[12]) das Vorhergehende.