Neuer Text

Der Eberbacher Kuckucksprozess


Was sich vor 410 Jahren in Lenhard Schäfers Wirtschaft abspielte

Der Kuckucksmahl-Prozess ging in eine andere Instanz - Verschollen geglaubtes Urteil aufgetaucht, und zwar in den Akten des Zentgerichts
Das Urteil des Eberbacher Zentgerichts vom 8. Januar 1605.

 August 2015
Von Rainer Hofmeyer

Die Eberbacher würde man vielleicht noch heute mit dem Namen „Kuckucke“ oder „Kuckucksfresser“ bespötteln, hätte man nicht 1929 den Spieß umgedreht und sich für das eigene große Volksfest den Namen „Kuckucksmarkt“ ausgesucht. Bei so viel Selbstironie blieb kaum noch Gelegenheit für einen Spott-Namen.


Dabei hatte der Begriff „Kuckucksfresser“ durchaus seine Berechtigung. Wenngleich auch nur für den Eberbacher Küfer Martin am Endt. Dem war am Pfingstsonntag 1604 in Lenhard Schäfers „Neckarwimmerspacher“ Wirtshaus statt einer schmackhaften Taube wohl ein gebratener Kuckuck vorgesetzt worden. Martin am Endt beschimpfte daraufhin den Wirt so sehr, dass dieser vor das Eberbacher Stadtgericht zog. 

Inzwischen wissen wir: Das hätte Wirt Schäfer besser nicht getan, seine Klage wurde später zum Bumerang. Denn Gast Martin am Endt aus Eberbach fühlte sich blamiert, getäuscht, beleidigt, verspottet. Ein Kuckuck war damals Gegenstand abergläubischer und spukhafter Vorstellungen, wurde vielfach sogar als verhexter Mensch gesehen. Und so etwas wurde ihm in der gemütlichen morgendlichen Männerrunde vorgesetzt.


Diese drei spielen in der ganzen Kuckucks-Geschichte die Hauptrollen:

- Wirt Lenhard Schäfer,
- Gast Martin am Endt und
- Anstifter Chirurgus Hans Mantel.


Bestellt wurde das böse Mahl von Chirurgus Hans Mantel, der sich offenbar einen üblen Scherz erlaubte und mit dem Wirt unter einer Decke steckte.

Mantel hatte nämlich höchstselbst dem Vogel mit einer Stecknadel das Hirn durchstochen, ihn für zwei Pfennig von einem Knaben rupfen lassen und der Wirtin zum Braten gebracht. Mantel war es auch, der Martin an seinem Tisch zum Verzehr des angeblich köstlichen Bratens eingeladen hatte.

Als Martin am Endt das dicke Tier aufgegessen hatte, fragte ihn Wirt Lenhard Schäfer listig, ob er denn wisse, was er soeben verspeist habe. „Kuckuck, Kuckuck“, hallte der Hinweis aus der Runde. Das war Martin zu viel. „Dieb“, „Schelm“ warf er dem Wirt vor.

Heute würde man über eine solche Beschimpfung hinwegsehen. Aber es war genug für die damalige Zeit, den Beleidiger vor Gericht zu zerren. Ein Wirt zählte schließlich zur „Ehrbarkeit“, einer gehobenen Gesellschaftsschicht, die sich nicht alles gefallen lassen wollte. Lenhard Schäfer fürchtete um seinen guten Ruf. Er klagte wegen übler Nachrede, Ehrabschneidung.

Das zuerst angerufene Eberbacher Stadtgericht bemühte sich um Zeugenvernehmungen, die teilweise in Amtshilfe vom Hirschhorner Stadtschreiber durchgeführt wurden. Vor Gericht ging es hin und her. Aber, das Stadtgericht hat wohl kein Urteil gefällt. Zwar steht in seinen Akten unter dem Datum 10. September 1604, dass beim nächsten Gerichtstag ein Urteil  ergehen würde. Aber es liegt keines vor.

So hatten die Eberbacher zuletzt viele, viele Jahrzehnte keine Kenntnis, wie damals der Streit um das berüchtigte Kuckucksmahl in Neckarwimmersbach ausgegangen ist.

Diese stadtgeschichtliche Lücke würde heute noch bestehen, hätte nicht der Eberbacher Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz 2004 in den im Stadtarchiv zugänglichen Beständen des Badischen Generallandesarchivs recherchiert. Und dabei das Urteil des Eberbacher Zentgerichts vom 8. Januar 1605 in dieser Streitsache gefunden. Dieses Gericht war die höhere Instanz der Kurpfälzer Gerichtsbarkeit.

Bis heute bleibt es ein Rätsel, warum das Stadtgericht zwar den Prozess eröffnet und geführt hatte, aber womöglich nicht zu einem Abschluss kam. Es bleibt offen, warum ein Urteil des Stadtgerichtes heute in den städtischen Archivalien nicht mehr nachweisbar ist, obwohl es laut den Gerichtsakten schon angesetzt war ("Diess Urtheil ist reservirt bis zu andern Gerichtstag"). Entweder ist letztlich keines ergangen, oder das Zentgericht hat den Fall wegen der besondere Bedeutung an sich gezogen.

Unwahrscheinlich ist allerdings, dass Kläger oder Beklagter im Sinne einer Berufung ans Zentgericht gegangen sind, weil es einen solchen, heute üblichen Instanzenzug damals noch nicht gab..

Wahrscheinlicher ist also, dass man im Rahmen der Beweisaufnahmen erkannt hat, dass der Prozessgegenstand von seiner Bedeutung her in die höhere Instanz des Zentgerichts gehörte. Wer den Gang zum höheren Gericht veranlasst hat, ist nicht überliefert. Das könnte von Schöffen des Stadtgerichtes in Gang gesetzt worden sein, von denen vier auch dem Zentgericht angehörten. Aber auch die Prozessbeteiligten könnten auf den Wechsel zum höheren Gericht bestanden haben.

Für einen der Prozessbeteiligten war der Gang zum Zentgericht jedenfalls ein Glücksfall. Denn auch Gast Martin am Endt hatte allen Grund zur Klage, besser: zur Gegenklage. Martin, dem der Prozess vor dem Stadtgericht schon so einiges gekostet hatte, drehte vor dem Zentgericht den Spieß um und beschuldigte Schäfer, weil er ihm einen falschen Vogel vorgesetzt hatte. Die Beweislage wurde im Laufe des Verfahrens immer klarer: Es war ein Kuckuck und keine Taube.

Aus dem Kläger wurde bald der Beklagte und umgekehrt. Der "erbare Zent- und Landrichter allhie zu Eberbach" beendete danach den Streit mit einem Paukenschlag. Von wegen, Klage des Wirtes gegen den Gast - der Zentrichter rückte die Maßstäbe zurecht und kehrte die wahre Ursache des Streites heraus.

Der zuerst beklagte Martin am Endt als Gast aus Eberbach musste sich zwar sagen lassen, dass er mit seinen Schmähungen gegen den Wimmersbacher Wirt Schäfer etwas zu weit gegangen sei. Es gab für ihn einen Denkzettel von einem Pfund Heller, das Strafmaß für "kleinen Frevel". Nicht gerade eine hohe Summe. Dafür aber, dass Lenhard Schäfer an jenem Pfingstsonntag 1604 in seinem Wirtshaus dem Eberbacher Martin am Endt einen Kuckuck gebraten hatte, gab es sprichwörtlich die Höchststrafe, die das Zentgericht für solche Fälle aussprechen konnte. 

Lenhard Schäfer musste "wegen großem Frevel" 32 Pfund Heller* zahlen. Darüber hinaus hatte er sogar noch 15 Pfund Heller* an Martin am Endt als Wiedergutmachung zu leisten, weil er "Schimpff und Spott" über diesen ausgebreitet habe. Der Wirt zahlte als insgesamt 47 Pfund Heller, der betrogene Gast 1 Heller.

Über die Gerichtskosten kam es zu einem Vergleich. Den beiden Streitparteien wurde nicht die Ehre abgesprochen. Für Wirt Schäfer wenigstens ein Teilerfolg, denn dadurch konnte er noch Geschäfte mit der Stadt machen.

Besonders gut weggekommen ist der eigentliche Anstifter des Geschehens im Wimmersbacher Wirtshaus: Hans Mantel wurde vom Gericht nicht belangt, geschweige denn im bekannten Teil der richterlichen Entscheidung überhaupt erwähnt. Entschieden zu viel der Ehre wurde ihm zuteil, als die Stadt einer Gasse in Neckarwimmersbach den Namen „Dr.-Mantel-Weg“ verordnete. Erstens war Mantel schließlich verantwortlich, dass die Eberbacher zu „Kuckucksfressern“ wurden. Und zweitens hatte der Chirurgus auch keinen Doktor-Titel. Falsche Titel-Führung kann man das Straßenschild heute nennen.

INFO. Helmut Knapp, Der Ausgang des Eberbacher Kuckucksprozesses, Geschichtsblatt 2005; Der Eberbacher Kuckucksprozess 1604, Geschichtsblatt 1923

Kuckucksprozess - dargestellt auf einer Skulptur bei der Neckarbrücke.



Urteil des Zentgerichts im Kuckucksprozess 8. Januar 1605



[transkribiert von Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz]



(Auszug aus den Protokollen des Rüg-, Zent- und Landgerichts 1594-1714), Generallandesarchiv Karlsruhe 61/5561 fol. 42-43

 

 

fol. 42

Martin am Ent bitt Urtheillabsch[rifft]

wie auch Lenhard Schöfer

ward gutwillig zugelass[en]

[am Rand:] beede Partheien bat[en] Urtheilsabschrifft

 

fol. 43

Auff Dinstag den 8. January A[nn]o. 1605

 

 

In der strittigen Injurisach[en] sich haltten zwischen Lenhard Schöfern, [durchgestrichen: burg[er]] Gemeinsman zu Neckerwimmerspach, Clegern, an Einem entgegen und wid[er] Martin am Endt, Burgern und Kiferrn alhie zu Eberbach, Be[klagten] am Andern, erkentt ein Erbarer Zent- und Landricht[er] alhie zu Eberbach nach Klag, Antwort, Rede, Widerrede, geführtn Beweiß, auch allem andern [durchgestrichen: schafft] Vorbring[en] unnd beschlißen in Conventione zu Recht, das der Vorbe[klagte Martin am Ent zuviel gethan und wider die Gebür den Vorklegern geschmehett[1]), solle deroweg[en] diß mit der kleinen Buß undt Abtrag [durchgestrichen und wieder unterpunktet:)] gegen dem Herrn Schultheiss, [durchgestrichen: vertheilig[en]] in Reconventionem aber, das der [verbessert aus: dem], [durchgestrichen: Vorcleg[er] und] Nachbeklagt[e]** gar Unrechtt gehandlett, deshalb[en] die hohe als 3 Theil Buß [durchgestrichen: alß drei Theil] gegen Churfl. Pf[altz] und das vierte Theil gehett ann diesen Zent- und Landgericht[2]) [durchgestrichen: vertheilig[en] umb das er wissens] vertheilig[en] unnd dem Nachkleg[er]n** mitt 15 fl. vor den bewissenen Schimpff und Spott erlegen solle. [durchgestrichen: Was so [man] thue auch hiemit an der gemeinen Burgerschafft desweg[en] habende Klag Churfl. Pf[altz] heimweissen] Und hiemit der Sach[en] richterlich erkant und noch [durchgestrichen: also] geschlichtt, das es [durchgestrichen: diesen] beed[en] Partheien [durchgestrichen: werden] an Ehre nit schedlich sein soll, die deswegen ufgeloffen Gerichtskosten unß bare compensiret hernach Ursach[en] und in beede Puncten verglichen.



** [[ Vorkläger war Wirt Leonhard Schäfer, der zuerst gegen seinen Gast Martin am Endt (vor dem Stadtgericht) wegen Beleidigung klagte.

Schäfer wurde zusätzlich zum Nachbeklagten, weil er im Prozess vor dem Zentgericht von Martin am Endt beklagt wurde, da er ihm die falsche Taube vorgesetzt hatte.

Gast Martin am Endt beklagte den Wirt Leonhard Schäfer erst im Prozesse vor dem Zentgericht, weshalb er damit als Nachkläger bezeichnet wurde; heute würde man von einer Gegenklage sprechen. (rho) ]]



[1]) Schmähungen zählten zu den Zentfällen (BWD IV nr. 5 Zentweistum 1602 (§ 9 Schmach, Nachrede und Scheltwort sind Zentrügen.) Ähnlich nach dem Kellereiweistum von 1599 (BWD IV nr. 10 § 6): Sog. Schmehreden sind Zentrügen.

[2]) Nach dem Zentweistum von 1602 (§ 10) beträgt der große Frevel 32 lb. h.[Pfund Heller], davon erhält die Pfalz drei Viertel, ein Viertel fällt an den Richter. Der kleine Frevel betrug ein lb. h [1 Pfund Heller]. Nach dem Kellereiweistum von 1599 (BWD I,4 nr. 10 § 7) umfasst der Zentfrevel 32 lb.h.. Davon erhielt der Zentgraf, der Eberbacher Stadtschultheiß, ein Viertel (= 15 ß h) .




Auszug aus den Gerichtsprotokollen des Stadtgerichts 1604

 

[transkribiert von Stadtarchivar Dr. Rüdiger Lenz]



fol. 23v

 

Verhandlung vom 16. August 1604

 

Ist ein Kaufgericht [vergleichbar mit einem Verfahren der Privatklage - im Gegensatz zur öffentlichen Klage; rho] gehalten

 

Judices:

Michel Conradt           Hans Walter                         Capar Barth

Jörg Beier                    Hans Ridinger                       Hans Eck                     

Christman Wider        Jorg Drautman                     Jacob Harmann

Hans Braun                 Jacob Stumpf, Flöser          Hans Merckel

 

Lenhard Schöfern vom Wimmerspach klagt durch Michel Englern uff Martin am Endt, demnach sich uf Pfingstag zugetragen, das Martin am End neben andern zu Wimmerspach ein Underdrunck mit dem Artzen gethan, da habe der Artz Fögel begehrt, underdessen ein Bub ein Gutzgauch gehabtt, da habe der Artz den kauff, und der Vogel sei nachgehents gestorben, habe sein fl. [1]) mit ein Kelich [2]) ihn uf die Mist geworffen, widerumb ufs Artz Begehrn denselben geholt, den der Artz gerupff und ihr zu braten bracht, so sie Würthin ihme ihn in Schmaltz gebraten und neben andern Vögeln die Frau zwischen ihme Klegern hinein uf den Disch gesetztt, habe der Arz gleich

 

fol. 24r 

 

davon geschnitten, und der Arz ihme Klegern gesagt, es sei ein Guzgauch, er Kleger habs nit gewust, köns bei Pflichten erhalten, da habe Martin gleich von den G[utzgauch] gessen und daruf ihn Klegern geschmehet, begehrt Chur [3]) und Wandel und den Kosten.

 

Martin am End Be. Durch Bastian Mengessen nach gerichtlichen Brauch bringt dagegen vor, das uf verschinen Pfingsten sie den Schuppen besuchtt, habe der Artz, alss sie heim wollen, gehen gesagt, sie sollen ein Drunck ins Klegers Haus thun, da habe Schöfer gesagt, wolt ihr Vögel haben, ufgestanden, sie bracht, so zimblich klein und mitten ein gross wie ein Ammelster, und Kleger den Martin, alss andern vorgelegt gewessen, vorgelegt, so wider in die Schüssel gelegt, Schöfer wider vorgelegtt, da habe Be. ein Stück davon gessen, Peter Leutz auch 1/4 gessen, underdessen sie der Artz und Kleger einander in die Ohren geblisent und Cleger gesagt, Martin, wie wan Du ein Gutzgauch gessen und Guckuck geschrien, dan den Montag hernach zu ihme Mengesse gesagt, es were ein Gutzgauch gewessen,

 

fol. 24v 

 

welches nun den Hern Burgermeister zu Meintz vorgeworffen, da habe er B. gesagtt, der Deufel soll es denen gesegnen, die es fressen und sei Kleger Be. in Streit nit, sein hoff hern gerhaten, habe er ihn ein Gutzgauch-Fresser geheissen, also erzürnt, und habe Kleger zum ersten Guckuck geschrien. Nun habe Be. in Barthel Belle Haus gezecht und in dem Barthel Storck kommen, habe Be. ihne Klegern ein Dib und Schelm gescholten, biss er sein die Sach usstrage, will er nur Speiss vorgetragen, so tod gewessen, so hoff er, er habe nit rechtt gehandlet, also er Be. nit gefrefflet, klag solches, wolt lieber 100 fl. geben, das nit geschehen were, klagt 30 Daler, doch vorbehaltten der Statt und gemeiner Burgerschafft, ihre Klag neben Erstattung Kostens, begehrt doch 14 Tag Dilatones [4]), ein gemein Compassbrieff [5]).

 

Zeugen, so Cleger vorgesteltt   

 

fol. 25r

 

haben die drei Weiber anglobtt an Schultheissen Stab

 

Anna Hans Schuppen Witwe sagt, wie des Meister Hansen Knecht ein Gutzgauch im Körbel bracht, derselbe sei gestorben, der sie ihn uf die Mist geworffen, uffs Meister Begehren geholt, der ihn geropfft und dan in Sack gestossen und habe in solchs ihre Man selligen gesagt, der ihme Meistern gewehrtt und gesagt, ich thett es nit.

 

Berbel Schupp, Hansen die 1. Dochter sagtt, sie hab den Gutzgauch ropfen sehen ihn Artz und gesagtt, ihr fles [?] hurtig, damit habe er ihn in die Hossen gestossen.

 

Marg[aret], die ander Dochter

Wie die Mutter, kurtz halben nit beschrieben werden mögen.

 

Endris Ott, des Be. Zeug

sagt, der Gutzgauch were dott gewesessen, wie er in Schöfers Haus kommen, sei er schon gessen gewessen, da habe Kleger gesagt, sie hatten den Gutzg[auch] schon gessen.

 

 

fol. 25v

 

Grates [6])

 

Be. bitt einen Compasbrief und ferner Zeugen zu seiner Nott halben zu verhören.

Cleger sagtt, er seie der Zeugen zufrieden und habe ihn nit also schmehen, sondern klagen soll, wuste nit drei zu willigen, seztt zu bescheiden daruff bescheiden.

 

Ist verwilligtt und 14 Tag Dilation[es] [7]) zugelassen.

 

[Zeugenverhör vom 23. August 1604 → Or. in: I nr. 80]

 

 

Verhandlung vom 10. September 1604

 

fol. 28r

 

Martin am End contra Lenhard Schöffern

 

Be.: Berricht verschlossener Kundschafft.

 

Bitt dieselbe zu eröffnen, steltt pehendt [8]) Zeuge vor: Philips Schab Melchiorn Schneider.

 

Schöffer durch Lenhard Seitz ist allerdings zufrieden und stelt vor Heinrich Schneidern und Simon Kern.

 

 

 

 

fol. 28v

 

Die Zeugen haben ussgesagtt bei ihren burggerlichen Pflichten:

Melchior Schneider, Bader zu Gerach uf die 4 Puncten, so Martin ubergeben

1

 

Ja: er habe in

 

2

 

Sagt Zeug, wie das der Arz gesagt zu Schöffer, er soll ihme den Vogel braten, Schöffer gesagt, wer mus davon essen, Arzt gesagt und der müsse darvon essen, die Ehre nit genommen.

3

 

Wüsste nichts davon

 

4

Ignorantiam [9])

 

Sonsten habe er, Artz, gesagtt, sie habe ihn alzeit gevexirt [10]) mit den storcken, schluer verkaufft, also er die Bossheit gethan.

 

Philips Schab, Gemeinsman zu Neckerwimmerspach, zu Frag, was er, Zeug, von Schöffern ufm Kegelblatz gehörtt

 

 

fol. 29r

 

Daruff ussgesagt, das Heinrich Schneider gesagtt, wie das der Arztt solle den Gutzgauch Schöfers Frauen haben brachtt, darnach der Schöffer geschrien haben soll, wie sie schreyen, sonsten wisse er nichts.

 

Heinrich Schneider sagtt, wie er des Artzt Knecht den Gutzgauch kaufft, sonsten nichts.

 

Simon Kern: Er hab gehört, es sei eine Gutzgauch gewessen von Lenhard Schöffer hab geguchts

 

Peter Leutz würd vorgestelt von Klegern

 

Will nit Kundtschafft, sondern sey auch interessirt:

 

Daruff gesagtt:

 

Wie es neben Martin am End in Schöfers Haus gezehrtt, habe Schöfer den Vogel dem Martin dargelegtt, der ihme auch ½ Vogel dargelegt, so er gessen und weil dem also sagt er, er habe ihn das Geltt nit recht abgenohmen

 

 

fol. 29v

 

Martin am Endt, er holtt der dreien Zeugen Aussage, wie auch alles anderst und habe Cleger zuviele gethan, das er ihme ein doten Vogel zu essen geben, bitt, das er Cleger solches gegen unsern gstn. Herrn und dieser Statt verlestigen, sambt alle Kosten.

 

Cleger sagt, die Zeugen reden vom Hörssagen mehrertheils und stime ihn nichts darumb wissent gewessen. Item der Vogel sei mit einer Glofen umbbracht und nit gestorben. Und habe es der Artz nachgehents uber Disch ihme in ein Ohr gesagtt, habe der Artz viel angefangen, könne er nit dafür. Item es befrembde ihnen, das er ihn so gescholtten, bitt desshalben ein offentlich Widerruff und Brief und Sigel.

 

Be: Er holt der Zeugin Ussage, das genugsten bewisen, das er Be. darumb bewust, und weil er Cleger ihn in grossen Kosten getrieben, also klagtt er wie oben: setzt zu Rechtt, wofern kein Wirkung kombt und fordert Clegern 3 Osten [11]), dan auch, wo es ihme schaden soltte uber kurtz oder lang, solches zu klagen vorbehalten.

 

 

fol. 30r

 

Cleger er holt Priora [12]), den Widerruf und den Kosten, sezt zu Rechtt:

 

Be: seztt es auch zu Rechtt.

 

Diess Urtheil ist reservirt bis zu andern Gerichtstag.

 

Judex Jörg Beier.

 

   


[1]) f = factum

[2]) kebich = Leichnam

[3]) Behandlung, Heilung, auch: Strafe

[4]) Aufschub, Frist

[5]) Schreiben um Amtshilfe.

[6]) [Versuch einer] Aussöhnung

[7]) Aufschub, Frist.

[8]) im Sinne von : peinfähig [strafmündig ?].

[9]) Unkenntnis.

[10]) mißhandelt, im Sinne von verulkt.

[11]) Hostien.

[12]) das Vorhergehende.


Repro/Foto: Rainer Hofmeyer
Share by: