1962 plante die Neckar AG ein Pumpwasserkraftwerk bei Eberbach - Es gab keine landschaftlichen Bedenken
Wie dieses Pumpspeicherkraftwerk in Vianden (Luxemburg) die Anlage beim Hebert ausgesehen.
März 2019
Von Rainer Hofmeyer
1962
war eine ganz andere Zeit. Die Gesellschaft war auf wirtschaftlichen Fortschritt getrimmt. Auf die Tier- und Pflanzenwelt nahm man wenig Rücksicht. Der Schutz der Natur
stand eben noch nicht auf der Tagesordnung, Ökologie
war ein Fremdwort. Die Atomkraft
breitete sich aus. Bis zum Anfahren des Kernkraftwerks Obrigheim waren es noch sechs Jahre. Von Wasserkraft
am Neckar sprach man zwar - aus Kostengründen, nicht der Umwelt wegen.
Die 1921 gegründete Neckar AG
nutzt die Kraft des fließenden Neckars, betreibt das kleine Laufwasserkraftwerk bei der 1933 im Rahmen der Neckarkanalisation
gebauten Staustufe Rockenau. Ein Blick den dortigen Berg hinauf, auf den 518 Meter hohen Hebert, brachte die Planer auf eine Idee: Das wäre ein Gelände für ein Pumpspeicherkraftwerk.
Dazu müsste auf dem Hebert ein künstlicher See
angelegt werden.
Eine Diskussion in Gemeinderat und Bevölkerung
über die Eingriffe in die Natur, wie heute beim Windpark Hebert, gab es seinerzeit nicht.
Der Gemeinderat hätte das Vorhaben mehrheitlich befürwortet.
Dass das Kraftwerk Hebert nicht gebaut wurde, lag am Ende lediglich daran, dass man in Eberbach Sorge um zwei Quellen im Kleinen Odenwald
hatte.
Das Prinzip der Pumpspeicherkraftwerke: Aus einem unteren Gewässer wird in betriebsarmen Zeiten oder nachts
mit billigem Strom Wasser in einen hochgelegenen See befördert.
In diesem Fall hätte man das Wasser aus dem Neckar
hochgepumpt. Tagsüber oder bei Spitzenbedarf
lässt man das Wasser über einen Druckstollen ab und treibt im Tal Stromgeneratoren an. Dann wird der Strom zu einem höheren Tarif abgegeben - das ist die Geschäftsidee. Die heute beachtete ökologische Bilanz
eines Speicherkraftwerkes bemisst sich nach der Art der Herstellung des Pumpstromes. 1962 wäre der vom Kernkraftwerk Obrigheim
gekommen.
Kahlschlag im Gelände, Umgraben des Bodens, Bau einer Betonwanne: Über 13 Fußballfelder groß
hätte man den Wald auf dem Hebert abgeholzt, um den künstlichen Obersee anzulegen. 300 mal 300 Meter, 90000 Quadratmeter, neun Hektar: So riesig sollte die freie Wasserfläche sein, die man nahe dem Kirchel schaffen wollte. Plus Umrandung, Zufahrt und Maschinenhaus mit Pumpen und Turbinen am Fuße des Berges. Man hätte zudem in 85 Metern Tiefe einen Druckstollen vom Berg oben zum Neckar getrieben - mit allen Folgen für die unterirdischen Wasserläufe. Veranschlagte Kosten: 50 Millionen Mark.
Die Neckar AG
ist inzwischen eine Tochter der EnBW.
Sie betreibt 24 Wasserkraftwerke am Neckar
sowie 15 an Jagst, Kocher und Enz.
Auf der Schwäbischen Alb läuft seit 1962 ihr Pumpspeicherkraftwerk Glems,
nach dem in Eberbach geplant gewesenen Prinzip. Bei Glems werden innerhalb von rund sechs Stunden 560 000 Kilowattstunden Strom produziert - wenn das Wasser aus dem See über dort 300 Meter Gefälle durch die Turbinen strömt. Beim Hebert hätte man sogar mehr Energie gewonnen, wahrscheinlich mindestens das Dreifache. Erstens wäre der Eberbacher See größer gewesen als der bei Glems. Und zwischen Hebert-Spitze und Neckar gibt es mit fast 400 Metern
mehr Höhendifferenz, also mehr Wasser-Kraft.
Am 4. Dezember 1962
stand die „Errichtung eines Pumpspeicherwerkes auf dem Hebart in Eberbach durch die Neckar AG, Stuttgart“ auf der Tagesordnung des Gemeinderats.
Der damalige Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer hatte zuvor bei Vianden in Luxemburg
ein gleiches Kraftwerk besichtigt. Das ist zwar größer ist als das in Eberbach geplant gewesene, konnte dem Stadtoberhaupt aber das Prinzip der Stromgewinnung verdeutlichen. Schmeißer war ganz und gar positiv gestimmt worden, sprach im Gemeinderat zum Antrag der Neckar AG von einem „begrüßenswerten Projekt“.
Am 6. November 1962 hatte bereits eine Begehung des Hebert
„mit allen von dem Vorhaben betroffenen Stellen“ stattgefunden, organisiert vom Landratsamt. Der Landesgeologe sah „keine besonderen Gefahren für die Wasserversorgung“. Das Wasser- und Schifffahrtsamt hingegen forderte lediglich „schärfste Sicherungsmaßnahmen gegen Sickerwasser“. Letztlich hätte man aber die geeigneten Maßnahmen dazu getroffen.
Die Bedenkenlosigkeit des Landesgeologen
teilte der Eberbacher Gemeinderat
allerdings nicht.
Man befürchtete durch den Bau nachteilige Auswirkungen auf Frischwasserquellen,
so der Tenor im Ratsgremium. Die Humpernquelle und die Ohrsbrunnenquelle auf der linken Neckarseite wären womöglich betroffen gewesen. Es könne nicht mit der Anlage des Pumpspeicherkraftwerkes begonnen werden, ehe die Wasserversorgung von Eberbach, Rockenau und im Kleinen Odenwald sichergestellt sei.
Dem Startschuss für das Projekt Pumpspeicherkraftwerk Hebart
stand also schließlich nur noch die Frage der Wasserversorgung im Wege. Schmeißer machte den Vorschlag, die Entscheidung zurückzustellen, bis die Trinkwassergewinnung der Stadt Eberbach und der Gemeinde Rockenau gesichert sei. Würde dies die Neckar AG garantieren, könne man dem Bau zustimmen. Dabei ging es jedoch nur um die Quellen bei Rockenau.
Die Humpernquelle und die Ohrsbrunnenquelle sind übrigens längst vom Netz der Eberbacher Stadtwerke genommen.
„Landschaftliche Bedenken wurden nicht laut“,
berichten die Chronisten über den Verlauf der Sitzung des Eberbacher Gemeinderats. Gerade mal zwei Stadträte votierten gegen den Beschlussvorschlag. Es war eben Dezember 1962 - eine ganz andere Zeit. Die Neckar AG hat das Vorhaben nicht mehr weiterverfolgt.
Hätte die AG allerdings die Wasserversorgung garantiert, wäre jetzt ein Pumpspeicherkraftwerk mit 90 000 Quadratmetern Seefläche auf dem Gipfel des Hebert - und kein Platz mehr für Windräder.