Im Januar 1973 wurde der Großkreis Rhein-Neckar gegründet – Viele Emotionen gegen die Alternative „Kreis Mosbach“
Das Denkmodell der Landesregierung: Der zuerst mögliche „Odenwald-Kreis“ mit Eberbach, Mosbach und Buchen. Repros/Grafik: Rainer Hofmeyer
Januar 2023
Von Rainer Hofmeyer
Selbstverständlich steht die offizielle Stadt Eberbach heute loyal zum Rhein-Neckar-Kreis.
Der wurde vor nunmehr genau 50 Jahren neu gegliedert. Man ist für das dankbar, was von dort unterstützt wird. Die Einheimischen selbst fahren gerne mit dem „HD“ am Auto und nicht mit dem seinerzeit alternativen „MOS“. Am Scheuerberg steht die Klinik des Rhein-Neckar-Kreises. Außerdem gibt es die kreiseigenen Berufsschulen in Eberbach. Aber auf der Landkarte findet sich Eberbach in der hintersten Ecke des Kreisgebietes.
Vor einem halben Jahrhundert, am 1. Januar 1973,
waren die Weichen gestellt, von denen der damals zeitgleich ins Amt eingeführte Bürgermeister Horst Schlesinger noch heute sagt, sie hätten besser anders ausgerichtet werden sollen. Es war der Tag der Großen Kreisreform in Baden-Württemberg. 32 Landkreise wurden neu zusammengesetzt, lediglich drei blieben unverändert.
Eberbach stand zuvor vor der Frage: Kreis Heidelberg oder Kreis Mosbach?
Die Eberbacher haben für den Verbleib im Kreis Heidelberg gekämpft, der künftig Großkreis Rhein-Neckar genannt wurde. Er ist der größte im ganzen Land mit über einer Million Einwohner, bildete sich aus den alten Kreisen Heidelberg, Sinsheim und Mannheim. Unglücklicherweise hatten die Eberbacher übersehen, dass einige Städte an den neuen Kreis angehängt wurden, die der Neckarstadt bald den Rang ablaufen würden.
Bis vor der Reform
war Eberbach nach Wiesloch die steuerstärkste Gemeinde im Kreis Heidelberg.
Sinsheim, Weinheim, Eppelheim, Hockenheim, Schwetzingen, Walldorf, Schriesheim und Leimen sind heute größer als Eberbach. Bei der Einwohnerzahl knappst man hier weiter um die 14000. Neue Gebiete für Industrie und Gewerbe, fürs Wohnen gibt es nicht in Eberbach. Das Stadtgebiet ist zugebaut.
Der Weg in die andere Richtung hätte in den Kreis Mosbach geführt, eben dem mit „MOS“
am Auto: Nach dem Denkmodell der Landesregierung wäre der Raum Eberbach mit seinen späteren Stadtteilen Friedrichsdorf, Pleutersbach, Brombach, Rockenau und Lindach sowie der neu gebildeten Gemeinde Schönbrunn und der aus dem Boden gestampften Gemeinde Waldbrunn dem neuen Kreis Mosbach zugeschlagen worden, dem auch der alte Kreis Buchen zugeordnet wurde. Wenn es denn nicht einen anderen Zusammenschluss der Gemeinden gegeben hätte, in dem alle bis dahin selbstständigen Dörfer aus dem Umkreis unter dem Dach Eberbach vereint worden wären.
Die Eberbacher Ablehnung hing letztlich am Autokennzeichen „MOS“. „Kreis Mosbach“
hatte hier eben keinen guten Klang. Für die Einheimischen war das eine rückständige Stadt, ländlich geprägt, kleiner als Eberbach. Mit einem „Odenwaldkreis“
oder gar „Neckar-Odenwald-Kreis“
und vielleicht einem Kennzeichen „NOK“
hätte die liebe Eberbacher Seele wohl ihre Ruhe gehabt. Damals hätte man bestimmt einiges fordern und durchsetzen können. Der Stuttgarter Innenminister Walter Krause war schließlich auf Konsens angelegt.
Doch man dachte nicht strategisch und über die Kreisreform
hinaus. Die lief ohnehin nicht mit der Gemeindereform
synchron. Die zuerst durchgefochtene Neugliederung der Städte und Gemeinden hätte in Eberbach für eine bessere Entwicklung genutzt werden können. Mit den später zugeschlagenen neuen Stadtteilen einschließlich Lindach aus dem Kreis Mosbach rechnete man ohnehin. Doch im Kern der Debatte ging es in Eberbach nur darum, weiter im Kreis Heidelberg zu bleiben.
Der Eberbacher Blick hätte besser schon sehr früh einnehmend in den Hohen Odenwald
und den Kleinen Odenwald
gehen müssen, schon bei der Gemeindereform. Das neu geschaffene Schönbrunn und das zusammengelegte Waldbrunn wurden zeitgleich mit der Kreisreform am 1. Januar 1973
gebildet, mit einem entsprechenden zeitlichen Vorlauf. Vor allem auf dem Hohen Odenwald war dies eine Entscheidung zweiter Wahl. Hätte Eberbach rechtzeitig auf die einzelnen, damals noch selbstständigen Dörfer zugegriffen, wären diese womöglich Eberbacher Stadtteile geworden.
Die kleinen Gemeinden westlich und östlich von Eberbach wussten, dass sie nicht mehr eigenständig bleiben würden. Eberbach hatte noch Sogwirkung. Der Hohe Odenwald gehörte während der Kurpfälzer Zeit zur Zent Eberbach.
Im Badischen
zählte das Dorf Schönbrunn ab 1857 zum Amt Eberbach, wenngleich auch nur für ein paar Jahre.
Statt ihre Selbstständigkeit für eine neue Dorfgemeinde Schönbrunn aufzugeben, wären viele im Kleinen Odenwald auch gerne als Städter mit besonderen Rechten nach Eberbach gegangen. Die Dörfer des Winterhauchs tendierten ohnehin eindeutig: Die Hoch-Odenwälder wären lieber mit der Stadt Eberbach in einem Mittelzentrum
zusammengeblieben und mit diesem in einen erweiterten Kreis Mosbach gezogen.
Der damalige Bürgermeister Mayer aus Waldkatzenbach
warf den Eberbachern öffentlich vor, nur Kirchturmpolitik zu betreiben und ihr Umland zu verleugnen. Der spätere Zusammenschluss zu Waldbrunn war eine schwere Geburt. Alternativ wären Mülben, Oberdielbach, Schollbrunn, Strümpfelbrunn, Waldkatzenbach und Weisbach heute Eberbacher Stadtteile. Aber 1972 war die Kreisgrenze dazwischen. Es sei denn, Eberbach hätte sich anders entschieden. Eberbach könnte heute womöglich Große Kreisstadt sein. Die Stadt hätte auf dem Hohen Odenwald und im Kleinen Odenwald ausreichend Gewerbeflächen und neue Wohngebiete.
Alle Fraktionen im Eberbacher Stadtparlament
widersetzten sich von Anfang an dem Landkreis Mosbach. Eine Resolution des Gemeinderates vom März 1970 ging mit der Unterschrift von Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer direkt an die Landesregierung. Es formierte sich sogar eine Bürgerinitiative in der Stadt. Deren aggressive Argumentation veranlasste den damaligen Mosbacher Landrat sogar dazu, von Polemik gegen seinen Kreis zu sprechen.
Die Argumente von Gemeinderat und Bürgergemeinschaft:
Eberbach gehört wirtschaftlich zum Bereich Heidelberg-Mannheim, die Eberbacher pendeln nach Heidelberg, man kauft in Heidelberg ein, die Industrie- und Handelskammer ist in Heidelberg, die Städtische Bühne Heidelberg hat Gastspiele in Eberbach, man gehört schon seit rund 50 Jahren dem Kreis Heidelberg an, der Kreis Mosbach ist finanzschwach.
Hätte man mit freiem Kopf in die andere Richtung gedacht, wären vielleicht ähnliche Pluspunkte für den neuen Odenwald-Kreis zusammengekommen. Heute kommt die Badische Landesbühne statt der Heidelberger Bühne. Und die IHK Rhein-Neckar geht von ihrem Sitz Mannheim bis nach Mosbach. Auch der Neckar-Odenwald-Kreis hat eigene Krankenhäuser.
Der anders zusammengesetzte neue Neckar-Odenwald-Kreis hätte mit Eberbach
sowie den alten Kreisstädten Buchen und Mosbach
drei etwa gleich große und gleichbedeutende Städte gehabt. Eberbach hätte ein ganz anderes Gewicht im Kreis als heute. Großkreis Rhein-Neckar oder ein neuer „Odenwald-Kreis“ mit Mosbach und Buchen?
Die Frage der Zuordnung zu den Landkreisen war für Eberbach durchaus verhandelbar, man hätte Forderungen stellen können. „Mehr Demokratie wagen“, hieß damals die Devise, auch im Land. Doch in Eberbach ließ man den Zug nach Heidelberg abfahren. Mancher meint heute, die andere Strecke wäre besser gewesen.
Demonstrierten vor Innenminister Walter Krause (vorn) gegen den Kreis Heidelberg: Bürgermeister Hermann Münz (dahinter) und Gemeinderäte aus dem Kleinen Odenwald. Foto: Heiner Keller
AEberbach plus die Dörfer von Schönbrunn plus Waldbrunn hätten eine andere Einwohnerzahl ergaben als heute.