Als die Eberbacher noch in Itter und Neckar badeten - Zwei Badeanstalten gingen bei Hochwassern zu Bruch
Städtische Badeanstalt oberhalb der Neckarbrücke.
Juli 2016
Von Rainer Hofmeyer
Badevergnügen anno dazumal in Eberbach. Kein Quellwasser-Freibad wie heute in der Au, sondern Schwimmen und Plantschen in Itter und Neckar. Als der Neckar noch keine Groß-Schifffahrtsstraße war, vor über 100 Jahren, da schwammen die mutigen jungen Männer noch mitten im Fluss. Die alten, inzwischen schon verstorbenen Eberbacher erzählten uns, wie sie in den 1910ern abtauchten, um mit anderen Jungs die auf dem Grund liegende Schlepperkette hochzustemmen. Damals zogen an ihr noch Kettenboote die Frachtkähne aufwärts - die Kettenschleppschifffahrt gab es seit 1878. Der Neckar floss schneller, war kälter und sauberer als nach dem Aufstauen durch Schleusen ab 1933.
Etliche kleine private Badehäuschen
lagen im 19. Jahrhundert
an den Neckarufern, einige davon auch von heimischen Hoteliers betrieben - ein exklusives Vergnügen für wenige, noch nicht für das Publikum. Dann hatte der Sägewerksbesitzer Georg Deschner eine neue Geschäftsidee. Er nutzte die Itter
nicht nur zum Antrieb seines Wasserrades, sondern baute auf eigene Rechnung 1870 eine kleine Badeanstalt in den Neckarzufluss. Das nötige Holz für seine Freizeitanlage hatte er ja von Berufs wegen.
Von „Freibad“ konnte noch nicht die Rede sein.
Liegewiesen zum Sonnenbaden wie heute gab es schon gar nicht. Kleine Umkleidekabinen standen zur Verfügung, noch streng nach Geschlechtern getrennt. Dann gingen die Badebegeisterten in geschlossene Hütten, die teils wie Pfahlbauten im Wasser standen. Streckenschwimmen war auf diesem begrenzten Raum nicht möglich. Erfrischendes Eintauchen in die stets kalte Itter war angesagt.
Die Freude der Eberbacher und der Zulauf der Badegäste Richtung Itter
waren groß, obwohl ab 1877 Heinrich Koch beim Grünen Baum ein Flussbad im Neckar eingerichtet hatte. Deschner erweiterte 1894 seine Anstalt mit einer zusätzlichen Holzkonstruktion. Es gab fortan zwei Badehäuschen, nahe der Eisenbahnbrücke über die Itter. Der Bürgerausschuss entschied, dass Deschners Bachbad als städtische Badeanstalt geführt werden durfte.
Doch dann zeigte sich wieder einmal, was die Naturgewalten auch in Eberbacher anrichten können. Im Jahr 1906 riss ein Hochwasser der Itter die nassen Träume mit sich. Deschners beide Badehäuser wurden zerstört.
Damit endete auch die private Initiative, den Eberbachern nassen Spaß zu verkaufen.
Jetzt war die Stadtgemeinde dran.
Zum Sommeranfang 1907, am 17. Juni,
wurde die öffentliche „Städtische Badeanstalt“ dem geschätzten Publikum übergeben. 35 Meter lang und 10 Meter breit. Sie lag, auf Pontons vertäut, oberhalb der Brücke. Auch im neuen städtischen Bad achtete man streng auf die Trennung der Geschlechter. Es gab aber auch ein „Familienbad“. Ab 1933 wurde das Bad auf die andere Neckarseite verlegt, jetzt in Höhe des Bootshauses der Rudergesellschaft RGE.
Über einen kleinen Steg hatten die Badegäste Zutritt zu einem nach allen Seiten geschlossenen Holzkomplex.
Nur spärlich ließ die Sonne ein paar Strahlen reinscheinen. Per Treppen konnten die Besucher im Innern der Gebäude bequem ins Wasser steigen. Selbst ein kleines Ein-Meter-Brett war eingebaut. Es gab je ein Bassin für Schwimmer und Nichtschwimmer plus drei Einzelbäder. Und damit kein Treibholz die Badenden schädigen konnte, waren Schutzgitter nach unten angebracht. Ein schmaler Grünstreifen an Land ließ ein wenig Sonnenbaden zu.
Nach jeder Badesaison zogen Schlepper die Badeanstalt hinunter in den Eberbacher Winterhafen.
Am 9. April 1918 brannte dort das Bad bis auf das Eisengerüst ab. Ende Juli war es schon wiederaufgebaut und in Betrieb.
Es kam später aber ganz schlimm. Die Städtische Badeanstalt im Neckar fand wie die Deschner’sche ein „natürliches“ Ende. Wieder war es ein Hochwasser, das Eberbacher Badeträume beendete.
Am 5. Februar 1935
zerrte die Strömung im Hafen so sehr an den stählernen Sicherungsseilen, dass diese rissen und die gesamte Anlage neckarabwärts trieb. An den Pfeilern der Hirschhorner Schleuse zerschellte Eberbachs Neckarbad.
Der Neckar zerlegte das Flussbad unwiederbringlich. Einzelteile trieben bis Neckarhausen und Heidelberg. Dieses Schicksal beschleunigte auch die Entscheidung für ein Quellwasserschwimmbad mit sauberem Wasser. Mit einem Bad im Neckar, in den auch die ungeklärten Abwässer der Neckaranlieger flossen, konnte man auch nicht mehr für den Fremdenverkehr werben.
Schon im Jahr nach dem Desaster mit dem Neckarbad weihte Eberbach in der Au das Frischwasserbad
ein. Es gab sogar ein 50-Meter-Sportbecken mit Startblöcken für Wettkämpfe. Die ganz alten Eberbacher erinnern sich noch, dass der bereits seit der Zeit des Neckarbades fast schon legendäre Bademeister Franz Veith noch viele Jahre Dienst in der neuen Anlage versah. Veith („eine Respektsperson“, erinnert sich ein Badegänger seiner Zeit) wurde ein Geheimrezept nachgesagt, mit dem er die stets blau strahlende, langhalte Farbe für Boden und Wände der neuen Wasserbecken mixte.
Das 1936 der Eberbacher Bevölkerung und ihren Gästen aus Nah und Fern übergebene Freibad macht - nach einer nicht nur technischen Renovierung in den 1970ern - seit inzwischen 80 Jahren Dienst für Sport, Gesundheit, Spaß und Vergnügen (wir berichteten). Im Gegensatz zu seinen Vorgängern: Hochwasser haben diesem Freibad bislang noch nichts Schweres antun können, abgesehen von etlichen Überflutungen der Liegewiese.
Anders beim 1975 eröffneten Hallenbad.
1993/94 hatte man beim Jahrhunderthochwasser vergessen, das über den Winter normalerweise leere Schwimmbecken als Gegengewicht zum kritischen Anstieg des Neckarpegels zu fluten. Der Grundwasserspiegel erreichte das Hallenbad und drückte die leere Plastikwanne nach oben, sodass sie zerbrach.
Info.
Helmut Knapp, Eberbacher Geschichtsblatt 2007 – Das Eberbacher Freibad
Die Deschnersche Badeanstalt in der Itter.
Private Badehütten im Neckar.
Februar 1935 - die zerstörte städtische Badeanstalt bei Neckargemünd.