Dr.-Weiss-Schule feiert 2017 den Achtzigsten Das Gebäude wurde 1937 Jahren eingeweiht - Gegen viele Widerstände vom damaligen Bürgermeister Hermann Schmeißer durchgesetzt
Die Dr.-Weiss-Schule im 80. Jubiläumsjahr.
Juni 2017
Von Rainer Hofmeyer Sieht man von seiner politischen Grundeinstellung im Dritten Reich ab, so muss man ihn im Zusammenhang mit dem Bau der Dr.-Weiss-Schule wieder einmal loben: Der treibende Motor hinter der damals neuen, großen Schule nahe der Neckarbrücke war Eberbachs Bürgermeister Hermann Schmeißer. Dabei lag er noch nicht mal im Einklang mit der regierenden Bürokratie seiner Zeit. Der Mann setzte sich nämlich so sehr für die Schule und gleichzeitig auch für die dazugehörende Turnhalle ein, dass er am Ende sogar persönlich für den von ihm vorgezogenen Baubeginn bei der Turnhalle zahlen sollte. Im Disziplinarverfahren erhielt der BM dann auch noch einen offiziellen Verweis, schon ein Makel in der Personalakte des seinerzeitigen SA-Mitgliedes.
Sei’s drum: Schmeißer, seit 1935 im Dienst, hatte am Ende seine Idee durchgezogen. Am 4. September 1937 wurde die Dr.-Weiss-Schule eingeweiht.
Heute wird sie folglich 80 und ist immer noch so jung wie die Kinder, die zum täglichen Unterricht kommen. Die Schule ist über die vielen Jahrzehnte ein Mittelpunkt in der Eberbacher Pädagogik geblieben. Früher nannte man die Schulzweige dort noch wenig einfühlsam Volksschule, Hilfsschule, Sonderschule. Heute heißt es Dr.-Weiß-Grundschule, Dr.-Weiß-Schule, Sonderpädagogisches Bildungs- und Beratungszentrum mit Förderschwerpunkt Lernen, Hort und „Randzeit“.
Mitte der 1930er-Jahre
drängten alle Schulbehörden auf einen Neubau. 450 000 Reichsmark waren für das große Schulgebäude und die neue Turnhalle
bei der Brücke veranschlagt. Die Stadtkasse war leer. Schmeißer wollte
auf Kredit
bauen. Es gab jedoch einen Referenten im Karlsruher Innenministerium,
der den Stadtchef fortwährend piesackte. Der Beamte meinte, der gerade eben eingesetzte neue Bürgermeister wolle sich wohl bei der Bevölkerung „ein rotes Röckchen“ verdienen. Die Stadt solle erst mal sparen,
bis sie die Bausumme zusammen habe, auch wenn das zehn Jahre dauern würde.
Dabei war eine neue Schule bitter notwendig. In der Friedrichstraße
stand ein 1840 erbautes Schulhaus,
das schon vor dem Ersten Weltkrieg nicht mehr tragbar war. Als es errichtet wurde, hatte Eberbach gerade mal 3500 Einwohner. Inzwischen war alles zu klein. Und unpraktisch dazu. Einige Klassenzimmer waren sechseckig. Mit Holz beheizte gusseiserne Öfen sorgten im Winter für ein unerträgliches Raumklima. Die Schüler unmittelbar neben der Heizquelle schwitzten, die hinten am Fenster froren. Anfangs wurde auch an einen Umbau der alten Schule
gedacht. Aber dadurch hätte man keinen zusätzlichen Raum gewonnen. Und der Schulbetrieb
wäre zwei Jahre lang ausgefallen,
zumindest an dieser Stelle.
In den Jahren des Umbruchs von der Weimarer Zeit ins Dritte Reich zerstritten sich die Verantwortlichen in der Frage Renovierung der alten Schule oder Neubau. Das war mit ein Grund, warum der ab 1931 tätige Bürgermeister Friedrich Wenz schon nach drei Jahren seinen Posten räumen musste und für ein Dreivierteljahr vom SA-Ortgruppenleiter abgelöst wurde. Unter dessen Führung legte sich die Stadtim November 1934 auf den Bauplatz
für die neue Schule zwischen Blauem Hut und Neckarbrücke
fest.
Im Januar 1935 trat Hermann Schmeißer sein Amt an.
Er machte sich augenblicklich an die Umsetzung: Auf seinem Plan standen neues Schulhaus und neue Turnhalle. Im Juli wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben. 92 Entwürfe gingen ein. Den Zuschlag erhielt der Karlsruher Architekt Toni Ebner. Ein Darlehen über 450 000 Reichsmark
Bausumme erforderte die Zustimmung des Reichsinnenministers. Und die Vorlage dorthin musste über das badische Innenministerium laufen.
Da saß eben dieser besondere Freund des Bürgermeisters. Angesichts der kleinkarierten Ablehnung der badischen Regierung platzte Schmeißer der Kragen. Dem Karlsruher Schulreferenten drohte er, selbst nach Berlin zu fahren, um sich die Zustimmung zum Bau der beiden Gebäude zu holen. Schmeißer erinnerte sich noch nach Jahrzehnten an das höhnische Grinsen des Kultusbeamten, der ihm kein Glück bei der Reichsregierung voraussagte.
Der Bürgermeister dagegen hatte einen Trumpf im Ärmel: Der ehemalige Direktor der Eberbacher Odin-Werke
war inzwischen Staatssekretär in Berlin
geworden. Diese Verbindung war erfolgreich: Am 5. Februar 1936
hielt Schmeißer den Genehmigungsbescheid
in Händen. Der Schrieb erhielt jedoch einige Klauseln. So solle unbedingt noch einmal geprüft werden, ob denn die neue Turnhalle auch wirklich notwendig sei.
Doch bei dieser gab es fast die gleichen zwingenden Notwendigkeiten wie beim eigentlichen Schulhausbau. Die alte Turnhalle beim Bahnhof
war gleichzeitig der einzige Festsaal der Stadt. Zahlreiche Nutzer teilten sich das Haus. Sportveranstaltungen, Theater- und Konzertaufführungen - das Gebäude war überlastet. Und dazu war im Dritten Reich auch noch die Sport- und Jugendertüchtigung großgeschrieben.
Der badische Kultusminister kam höchstpersönlich zur Grundsteinlegung der neuen Schule
nach Eberbach, das war am 12. Juli 1936.
Dann flatterte keine zwei Wochen nach diesem Festakt der Bürgermeister eine Anordnung des badischen Innenministeriums auf den Tisch. Schmeißers Kontrahent verfügte, der Bau einer neuen Turnhalle sei nicht notwendig,
die schon begonnenen Arbeiten
seien sofort einzustellen.
Gleichzeitig gab es die erwähnte Drohung mit einem Disziplinarverfahren
und der finanziellen Regressforderung.
Schmeißer solle die Turnhalle aus eigener Tasche bezahlen.
Schmeißer berichtete später von einer folgenden „harten Aussprache“ mit dem Innenminister.
Wer dabei der Härtere war, sei dahingestellt. Jedenfalls durfte Schmeißer
im Ergebnis auch die Turnhalle
bei der Neckarbrücke bauen
- heute ist dort eine Mehrzweckhalle, bei der auch der ursprüngliche kleine Sportplatz überbaut wurde.
Die neue Schule wurde nach dem langjährigen Bürgermeister und Ehrenbürger John Gustav Weiss benannt.
Bei der Eröffnungsfeier hielt er den Prolog. Weiss hatte sich schon 1913 für einen Neubau eingesetzt und dabei die Idee, die Schule in zwei Gebäuden rechts und links des Brückenkopfes zu erstellen. Der Standort bei der Brücke sollte nämlich auch den vielen Schülern aus Neckarwimmersbach Rechnung tragen, die zuvor noch in einem eigenen Schulhaus unterrichtet wurden und jetzt keinen überlangen Schulweg haben dürften.
Die Finanzierung
der beiden Neubauten regelte Schmeißer übrigens auch auf seine Weise. Die Sparkassen durften wegen der Notverordnung damals keine Darlehen an Gemeinden geben. Angesichts des immerhin zwei Jahre dauernden Hickhacks um die Genehmigung des Schulbaus waren die Verhandlungen um die Anleihe auf die Bausumme am Ende doch ein Klacks: Nach kaum einer Stunde Unterredung mit einem privaten Kreditgeber
hatte Schmeißer seinen gewünschten Vertrag abgeschlossen.
Die Bauzeit der Schule und der Turnhalle fiel in die Jahre des Aufschwungs, auch in der Stadt. 4.500,14 Reichsmark teurer
als veranschlagt kam die am Ende abzurechnende Bausumme. Das zusätzliche Geld hatte die Stadt selbst. Und als dann nach allen Querelen zwischen dem Bürgermeister und dem badischen Innenministerium dieses der Stadt ein „großzügiges Darlehen“ in Höhe von 30 000 Mark zusagte, verzichtete Eberbach
genauso großzügig darauf.
INFO.
Hermann Schmeißer, 1984 - Erinnerungen. Hist. Bildmaterial: Stadtarchiv
"Sollte den Namen Dr.-Weiss-Schule tragen" Im Laufe der Jahrzehnte schlich sich eine andere Schreibung der Schule ein
Das protokollierte der Ratschreiber zur Namensgebung der Dr.-Weiss-Schule.
In geheimer Sitzung entschied der Gemeinderat am 30. August 1937, wie „die neue Volksschule“ in der Weidenstraße zu benennen sei. Wegen der kulturellen und sonstigen Verdienste des ehemaligen Eberbacher Bürgermeisters Dr. Weiss sollte sie dessen Namen tragen. Zwei Mal steht der Name des Ehrenbürgers im Protokoll: „Dr. Weiss“, mit Doppel-S. Es ist ein Rätsel, warum die Schule inzwischen den Namen „Weiß“ führt.
„Bürgermeister Weiss hat seinen Namen selbst immer mit Doppel-S geschrieben“, konstatierte der Eberbacher Stadtarchivar Rüdiger Lenz schon 1999. Lenz hat aus 35 Jahren Amtszeit des alten Bürgermeisters Quellen zuhauf: Rats-Protokolle und Verträge, Schriftverkehr der Stadt, Urkunden. Nie stand in diesen etwas Anderes als „Weiss“.
Einweihung 1937 - Mitte: Ehrenbürger und Altbürgermeister John Gustav Weiss - rechts daneben BM Schmeißer.