Wäre ein Stadtplanungs-Vorschlag von 1972 jemals umgesetzt worden, gäbe es heute keine Parkplatzprobleme in der Neckarstadt
2700 Parkplätze in Tief- oder Hochgaragen wie hier beim Rosenturm waren vorgeschlagen worden.
Juni 2017
Von Rainer Hofmeyer
Es gibt Parkplatzprobleme
in der Stadt. Daran ist nicht zu rütteln. Auch wenn die Rosenturm-Garage langsam angenommen wird, auch wenn man am Lauer eine kleine Strecke für die Tageseinkäufer freihält. Die Parkplatzlage in Eberbach bleibt angespannt. Bei nicht ganz so schönem Wetter
und vielleicht am Wochenende ist die Situation entkrampft.
Wenn aber werktags
die Pendler
eintrudeln, die in der Stadt arbeiten oder mit der inzwischen gut angenommenen S-Bahn weiterwollen: Jetzt füllen sich die Gelegenheiten. Soweit sogar, dass im Gemeinderat schon an Vorrechte für Bewohner in bestimmten Straßen gedacht wird.
Ganz großzügig gerechnet,
kommt man alles in allem auf rund 1800 Parkplätze
in der Stadt, einschließlich Lauer
und Bundesstraße 37, wenn
denn kein Hochwasser
herrscht. Wenn… Denn das ganze Szenario muss auch die landschaftliche Lage Eberbachs einbeziehen. Die Stadt liegt an Bach und Fluss. So recht bis zum Anschlag wurde das derzeitige System mit der heuten Kfz-Dichte noch nicht getestet. Ein Hochwasser des Neckars, ein Überlaufen des Holderbaches und eine Überschwemmung der Itter zur gleichen Zeit - alles schon mal mit weniger Autos dagewesen - und schon würden viele Dutzend Parkplätze wegfallen.
Lamentieren über die Parksituation gab es schon vor 50 Jahren.
Da war die Zahl der Autos beileibe nicht so groß wie heute. Die Eberbacher Werbegemeinschaft
beklagt seit ihrer damaligen Gründung, dass es nicht genügend Platz für mobile Einkäufer gibt. Bürgermeister Dr. Hermann Schmeißer und sein Gemeinderat erkannten schon Ende der 1960er-Jahre, dass die Stadt ein Innenstadt-Konzept
braucht: 1972 gab es dann die Expertise „Erneuerung der Altstadt“.
Da war übrigens Eberbach auch noch ein „Luftkurort mit Heilquellen-Kurbetrieb“.
Der Stuttgarter Stadtplaner Professor Ludwig Schweizer
legte zusammen mit dem Verkehrsgutachter Leibbrand
die Untersuchung vor. Was da drin steht, geht weit über das hinaus, was man heute in Eberbach andenkt. Geschweige denn, was heute die tatsächliche Situation ist. Freiflächen, Hochgaragen, Tiefgaragen im Stadtgebiet wurden vorgeschlagen.
Von mitgezählten Parkstreifen an Bundes- und Landesstraßen war schon gar nicht die Rede.
Die 51seitige Schrift von vor 45 Jahren enthielt eine „Bestandsaufnahme“ und machte „Vorschläge“. „Die wirtschaftliche Situation im Dienstleistungsbereich, den Gaststätten und Läden, den Hotels und freien Berufen soll gestärkt werden“. Bürgermeister Schmeißer hat diesen Satz kurz vor Ende seiner Amtszeit unterschrieben. Es ist ein Text ist, der so manchem der nachfolgenden Innenstadt-Konzepte entnommen sein könnte.
Die an den Scheuerberghang gebauten alten Häuser der Neckarstraße
wären nach diesem Konzept gefallen - vom Neuen Markt bis zum Brückenkopf. Eine wesentlich breitere Neckarstraße wäre dann die neue Einfahrtschneise von der Brücke in den Odenwald geworden. Einen weiteren Durchbruch hätte es vom letzten Teil der Friedrichstraße bei der Katholischen Kirche in die Odenwaldstraße gegeben. Der neuralgische Neue Markt
wäre somit umfahren worden. Man erinnere sich: Die Umgehungsstraße an der Itter war 1972 noch nicht gebaut, alle Fahrzeuge rollten durch die Innenstadt über den Platz bei der Evangelischen Kirche.
Bekanntlich wurde nicht viel aus dem Verkehrs- und Parkplatzkonzept von 1972.
Vom Rest der Empfehlungen blieb fast nur die Fußgängerzone Altstadt übrig. 1800 Plätze heute in Eberbach, ganz weit gerechnet bis hin zur Friedrichsdorfer Landstraße, Auffahrt Odenwald
- 2700 wären es geworden, hätte Eberbach das Konzept von 1972 umgesetzt.
Der Bedarf an Parkplätzen beim Stadtzentrum wurde nämlich auf 900
mehr beziffert, als man heute hat. Und zwar Plätze in der Innenstadt. Der heute belegte Neckarlauer und die zugeparkte B 37 waren da nicht angedacht. Solche Notlösungen sah das Konzept von 1972 nicht vor.
Zur Lage der neuen Parkplätze gab es schon ganz konkrete Vorstellungen:
Bei der Luisenstraße/Ecke Bussemerstraße,
im Viertel zwischen Feuergrabengasse und Bahnhofstraße,
beim Neuen Markt
sowie im Bereich des jetzigen Synagogenplatzes. „Das Problem des Parkens muss durch ein Angebot von unterirdischen und oberirdischen Stellflächen in unmittelbarer Nähe zur Stadtmitte gelöst werden“,
schrieb Professor Schweizer in seinen Empfehlungen. Die jetzige Tiefgarage unter dem Leopoldsplatz entspricht dem früheren Wunschdenken. Im Gemeinderat später konkret diskutiert: Das damals noch unter „Weihrauch“ firmierende Drahtwerk auf dem Turnplatz sollte zu einer Hochgarage umgebaut werden. Die heutige Rosenturm-Garage hätte ortsgenau auch in die früheren Vorschläge gepasst.
35 öffentliche Parkplätze der 1972 beschriebenen Art, neben den Garagenplätzen für die Bewohner des neuen Gebäudeblocks.
Mit der Gestaltung der Fußgängerzone fielen in den 1980er-Jahren weite Teile der Altstadtstraßen und -plätze als Parkgelegenheiten weg. Der Neue Markt fiel später aus.
Wenn jetzt in der Innenstadt mehr Bewohner angesiedelt werden als zuvor im Sanierungsgebiet gelebt haben, siehe Rosenturm-Häuser, dann greift die Stadt unbewusst eine Gegenstrategie von früher auf. Denn seinerzeit wurde befürchtet, dass es die Bewohner der Innenstadt mangels Wohnqualität hinauszieht. Die damals beargwöhnte Folge: „Der Umsatz der Geschäfte sinkt und zwingt zur Aufgabe oder Umzug“. Das ist zwar so eingetreten, aber auch aus anderen Gründen als prognostiziert. Erklärte Ziele vor 45 Jahren: Erneuerung des alten Stadtkernes und der Randzonen, Platz gewinnen für Einzelhandel und Gewerbe. Eberbach sah sich als Mittelzentrum mit damals noch kräftiger Sogwirkung. Die Innenstadt sollte leben.
Die dringend gewünschten neuen Innenstädter wären nach dem 1972er Plan ganz woanders untergekommen als jetzt. Die Dr.-Weiss-Schule hätte ihre heutigen 80 Jahre nicht erreicht, sie sollte abgerissen werden. Das Gelände zwischen Blauem Hut und der Neckarbrücke wäre ein neues attraktives Wohnviertel geworden. Daraus wurde bekanntlich genauso wenig wie aus den dereinst geforderten Hunderten neuen Parkplätzen.
Also ist auf die Parkdecks beim ehemaligen Güterbahnhof zu warten.
Auch wenn die nach den Plänen von vor 45 Jahren mangels der damals anders definierten Stadtnähe niemals dort gebaut worden wären. Und weil man 1972 schon seit zwei Jahren wusste, dass sie bei einem Holderbach-Hochwasser nicht mehr trockenen Fußes zu erreichen sind. Bei Hochwasser gehen in Eberbach nämlich auch viele Parkplätze unter.
Info.
Öffentliche Parkplätze: gebührenpflichtig 934, Parkscheibe 201, Behinderte 7, Bus und Wohnmobile 13, ohne Bewirtschaftung 646.
Vorschläge von 1972. Viele neue Parkplätze und der Abriss der Dr.-Weiss-Schule mit dem Neubau eines Wohnviertels (rechts neben dem Blauen Hut, Mitte).