Der letzte Beifall für Knorrisch und Storrisch Dieter Müller und Otto Hildenbrand verabschieden sich aus dem Karneval
Die ersten Auftritte. In Lindach bei den Eulenspiegeln.
Februar 2011
Von Rainer Hofmeyer Am Aschermittwoch ist alles vorbei. Dieses Mal nicht ein so schnell hingesagter Spruch. Für die Eberbacher Karnevals-Marke „Knorrisch und Storrisch“ ist mit dem Ende dieser Kampagne für immer Schluss. Die dritte Prunksitzung der Karnevalsgesellschaft „Kuckuck“ in der Stadthalle ist ihr letzter Auftritt. Es kommt noch das Abschiedswinken im Dienstags-Umzug durch die Eberbacher Innenstadt. Dann werden Dieter Müller und Otto Hildenbrand abgeschminkt. Zum allerletzten Mal. Im Rückblick gibt es für die Zuhörer und Zuseher schöne Erinnerungen.
Für die beiden gehen 45 Jahre zu Ende, in denen sie jeweils zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort immer für richtige krachende Späße gut waren. Die Geschichte von „Knorrisch und Storrisch“ ist auch eine Erzählung aus dem Eberbacher Karneval.
Wer sich noch an das alte Gasthaus „Zur Kanone“
erinnert, der kennt den Ort, wo mit den beiden alles Karnevalistische angefangen hat. Dort konnte man feiern, nicht nur in der fünften Jahreszeit. Otto Hildenbrand und Dieter Müller
hatten die - inzwischen abgerissene - Traditionswirtschaft in der Odenwaldstraße zu ihrem Stammlokal
erkoren.
Die Stimmung dort war fast jeden Abend schnell auf dem Höhepunkt. Und irgendwann einmal saßen die beiden Freunde auf zwei Hockern, sangen mit Gitarrenbegleitung allerlei Klamauk. In erster Linie abgewandelte Lieder mit eigenem Text. Einfach nur so, für die anderen Stammgäste, der Stimmung wegen.
Das ist jetzt schon 45 Jahre her. Die Entdecker saßen an den Nachbartischen. Zwei alte Eberbacher Karnevalisten wurden auf die singenden und kalauernden Doppel-Talente aufmerksam. Dr. Walter Hadlich,
der Anführer des „Kanone“-Stammtischs und seines Zeichens Chef des damals noch „Lindacher“ Karnevalvereins „Eulenspiegel“, und Eugen Lenz,
Mitglied im Elferrat der Karnevalsgesellschaft „Kuckuck“.
Diese Profis waren sich einig: Müller und Hildenbrand wären etwas für den Eberbacher Karneval. Klar, machen sie mit, entschieden sich die jungen Hobbysänger. „Eulenspiegel“ Walter Hadlich war der eigentliche Entdecker: „Er hat uns am meisten gedrängt“, erinnern sich heute Müller und Hildenbrand.
Dreimal eine Schnapszahl, wie könnte eine Karnevals-Karriere besser starten: Am 11.11.66 traten Dieter Müller und Otto Hildenbrand erstmals in einer Faschings-Saison auf. Bei der KG „Kuckuck“ und als Sänger. In einem Trio mit dem Altkarnevalisten Benno Friedel.
Drei Kampagnen blieb es beim Gesangstrio ohne extra Namen,
einfach nur Müller, Hildenbrand, Friedel. Von „Knorrisch und Storrisch“ war da noch nicht die Rede. Und ein spezielles Aussehen gab es auch noch nicht. Dann gab es einen Impuls per Fernsehen.
Bei der Karnevalsgesellschaft „Zigeunerinsel 1910 e.V.“ aus Stuttgart trat ein jeckes Duo auf, das bei Dieter Müller einen Funken überspringen ließ. Nicht mehr karnevalistischer Gesang, sondern sprechender Wortwitz, Kalauer, Klamotte und Klamauk - aber auf hohem Niveau. Ein Duo, das Händchen haltend auf die Bühne schlurft, war im TV zu sehen.
Dieter Müller und Otto Hildenbrand wurden die Fast-Abbilder dieser Fernseh-Karnevalisten. Doch manchmal lebt eine Kopie länger als das Original. Im schwäbischen Stuttgart sind die beiden Vorbilder inzwischen längst verschwunden und vergessen, wie eine Nachfrage ergab*.
Im kurpfälzischen Eberbach wurden die beiden Figuren jahrzehntelange Tradition. Sie sind am Ende eine eigenständige Marke geworden.
In der Session 1969/70 begann dieses Markenzeichen sich langsam herauszubilden.
Das Duo Müller-Hildenbrand begeisterte zuerst aber einmal als „Hinz und Kunz“.
Zwei Allerweltsnamen zwar noch, aber schon Aufführungen mit gepefferten Sprach-Dialogen. Nach einem bombigen Probeauftritt bei den „Eulenspiegeln“ im Lindacher „Hirschen“ traten die Jecken gleich in derselben Kampagne bei den größeren Brüdern der KG „Kuckuck“ im Eberbacher Kurhaus auf.
Die künftig mit-tragenden Säulen der Eberbacher Fastnacht erhielten Unterstützung von einer anderen tragenden Figur. Malermeister Anton Veith
(„Andoon“) gab den Ratschlag sich umzubenennen und lieferte den Namensvorschlag gleich mit: Fortan waren Dieter Müller „Knorrisch“ und Otto Hildenbrand „Storrisch“. Die Suche nach einem unverwechselbaren, „eberbacherisch“ klingenden Namen wurde bei einer guten Flasche Wein in Anton Veiths Malerwerkstatt in der Itterstraße erfolgreich abgeschlossen.
„K & S“ hatten jetzt Namen, Gesicht und Aussehen. Die rot-weiß gestreiften Hemden, die weißen Lätzchen und die schwarzen Hüte sind durchgehend die gleichen geblieben, bis heute. Die markanten Gesichter schminkte anfangs der alteingesessene Eberbacher Friseur Gustav Kraft, auch eine der Stützen des Eberbacher Karnevals im Hintergrund.
Sein Sohn Peter Kraft mit seiner Frau Doris
sorgte in vielen folgenden Jahren für einen immer gleichen Anblick von „Knorrisch“ und „Storrisch“. Als Anleitung fürs Schminken diente stets ein Foto aus der jeweiligen Vorjahres-Kampagne, an den Spiegel der Garderobe geheftet. So konnte optisch nichts schiefgehen.
Auch wenn Peter Kraft im Jahr 1999 mit der Aufgabe seines Friseurgeschäftes in der Kellereistraße
ebenso die Maskenbildnerei für die KG „Kuckuck“ beendet hat, wollen sich „Knorrisch“ und „Storrisch“ eines nicht nehmen lassen: Die letzte Schminke bei den letzten Sitzungen kommt von Peter und Doris Kraft. Und die freuen sich auch schon drauf.
Eine erfolgreiche Kampagne waren auch für Müller und Hildenbrand nicht nur ein paar närrische Wochen jeweils nach dem 11. November. Das ganze Jahr über trugen sie jeweils Gags und Sprüche zusammen oder haben sie selbst erfunden, auf ihren Witz-Wert geprüft, in einer Zettelwirtschaft aneinander gereiht und zusammengeklebt, sich gegenseitig vorgesprochen. Am Schluss stand das fertige Konzept, zum Vortrag in der Eberbacher Fastnacht, bei den Prunksitzungen. Dann gab es rund dreißig Minuten etwas aufs Zwerchfell. Der aneinandergereihte Beifall dauerte dabei fast so lange wie der eigentliche Textvortrag.
„Man muss wissen, wann man aufhören soll“,
sagen Dieter Müller, inzwischen 70, und Otto Hildenbrand, 66. Wenn sie zurückblicken, stellen sie einmütig fest: „Es war ein ständiges Bergauf“. Jetzt sind sie auf dem Gipfel. Gleich wie alt die KG „Kuckuck“ wirklich ist: „Knorrisch und Storrisch“ haben mindestens zwei Karnevalisten-Generationen lang Spaß und Freude gebracht. Und bei den jetzt noch folgenden Auftritten in der Eberbacher Stadthalle wird der letzte Beifall bestimmt noch länger dauern als in den Jahrzehnten zuvor.
* Erläuterung: Bei den Recherchen im Februar 2011 hat man beim Stuttgarter Verein "Zigeunerinsel" nichts mehr von dem in Fernsehen aufgetretenen Duo gewusst. Das ist plausibel. Das Duo gehörte nämlich nicht zur "Zigeunerinsel". Im November 2014 stellte sich heraus, dass es nur Gast in der TV-Sendung war. Die Lösung findet sich im nachfolgenden Artikel: "Knorrisch und Storrisch finden ihre Vorbilder..."
Knorrisch und Storrisch finden ihre Vorbilder Aus den "Zwei Müden" von Neckarelz wurde eine Eberbacher Fastnachtsmarke
November 2014
Von Rainer Hofmeyer
Dieter Müller und Otto Hildenbrand haben niemals einen Hehl daraus gemacht, dass sie für ihren Karnevals-Knaller „Knorrisch und Storrisch“ zwei optische Vorbilder hatten. Dieses Muster-Duo hatten sie in Perfektion kopiert und verbessert. So wurde eine eigenständige Fastnachts-Marke daraus. Zwischen 1969 und der Kampagne 2011 haben die beiden Eberbacher Vollblut-Karnevalisten bei der KG Kuckuck ihre Witze gerissen, ehe sie „auf dem Höhepunkt“ Schluss mit Lustig machten. Dieter Müller und Otto Hildenbrand erinnerten sich beim Rückblick vor drei Jahren an die Ursprünge ihres Duo-Daseins.
Einen Impuls per Fernsehen hatte es gegeben. Bei einer Übertragung der Karnevalsgesellschaft „Zigeunerinsel 1910 e.V.“
aus Stuttgart trat ein ulkiges Zweierteam
auf, das bei Dieter Müller den Funken überspringen ließ. So hatte es dieser in Erinnerung. Zwei auf doof geschminkte Männer, die Händchen haltend auf die Bühne schlurfen und einen Musikbeitrag brachten, waren im TV zu sehen. Die Optik der zwei Sänger hatte es Müller angetan. Das Aussehen wurde übernommen. Aber die Beiträge von Müller und Hildenbrand waren stattdessen ihr eigener sprechender Wortwitz, Kalauer, Klamotte und Klamauk, kein Gesang wie im Fernsehen.
So wurden Dieter Müller und Otto Hildenbrand die sprechenden Fast-Abbilder der TV-Karnevalisten. Die heutigen Aktiven der „Zigeunerinsel 1910 e.V.“ Stuttgart konnten sich vor drei Jahren gar nicht mehr an das Fernseh-Duo erinnern, als diese Zeitung die Vorbilder von „Knorrisch und Storrisch“ recherchieren wollte. Sich zu entsinnen, war auch gar nicht möglich. Denn aus Stuttgart war das TV-Duett nicht gewesen.
Bei Recherchen ... in anderer Sache ist jetzt zufällig ein Foto aufgetaucht,
das die wahren Karnevalsvorbilder zeigt, ihre Identität und Herkunft belegt. Quer gestreifte Klamotten, kleine schwarze Hüte, weiße Handschuhe und auf Clown geschminkte Gesichter. Ganz so, wie sich Müller und Hildenbrand jahrzehntelang im Eberbacher Karneval zeigten. Nur die Streifen der Kleider der Originale waren etwas breiter als die Eberbacher Kopien, der Rest dasselbe. Knorrisch und Storrisch genehmigten sich noch zusätzlich je ein weißes Lätzchen um den Hals.
Überraschend vor allem: Die Heimat der Idole ist gar nicht so weit von Eberbach weg.So hätten sich eigentlich Vorbilder und Dubletten auch mal begegnen können. Bei der von Dieter Müller seinerzeit erlebten Stuttgarter Fernseh-Fastnacht waren „Die zwei Müden“- so nannte sich das lustige Doppel - nur Gäste der „Zigeunerinsel“.Sie kamen in Wahrheit aus Neckarelz von der Karnevalsgesellschaft Neckario.
Ihre gute Verbindung zu den Stuttgarter Jecken hatte sie auf den Bildschirm gebracht.
In Neckarelz erinnert man sich noch gerne an Rot-Weiß-Gestreiften, die ihre Vorträge immer mit dem gesungenen Vers „…denn dazu sind wir zwei viel zu müde“ausklingen ließen. Franz Thiemann und Heinz Lindau sind noch in den 1980er-Jahren in und um Neckarelz als „Die zwei Müden“ aufgetreten.Müller und Hildenbrand als „Knorrisch und Storrisch“ hatten ihre Vorbilder bislang stets in Stuttgart verortet und erfuhren erst jetzt vom Neckarelzer Ursprung.
Der von der Aufklärung verblüffte Dieter Müller: „Zu Neckarelz hatten wir keine Verbindung“.
Überraschenderweise kennt man jedoch „Knorrisch und Storrisch“ bei der Neckario.Man wusste, dass sie das Outfit der eigenen Karnevalisten übernommen hatten - und ist von vom Eberbacher Duo immer noch begeistert.
Die "Zwei Müden" aus Neckarelz traten als Gast der "Zigeunerinsel" im Fernsehen auf.